Mittwoch, 10. Dezember 2025, 20.15 Uhr, Das Erste
in der ARD Mediathek ab Sonnabend, 6. Dezember 2025
Podcast „Barmbek Bump – Prange vs. Rohde“ ab 5. Dezember 2025 in der ARD Audiothek
Inhalt
Ralf Prange lebt schon sein ganzes Leben in ein und derselben Rotklinkerwohnung in Hamburg-Barmbek. Hier ist er nach Selbstauskunft der „arme Arsch“, der vom unbekümmerten Paketmann Micki immer die Pakete für alle annimmt. Doch Pranges eigenbrötlerisches Leben wird durch das Auftauchen der umwerfend pragmatischen Paketzustellerin Dörte völlig auf den Kopf gestellt. In die vordergründig selbstbewusste Frau ist er sofort schockverliebt, doch in Sachen Liebe und Kommunikation gibt es deutlich Nachholbedarf. Der scheue Prange schmiedet diverse Taktiken, um mit Dörte in näheren Kontakt zu treten. Horst Rohde, der gegenüber wohnt, beobachtet argwöhnisch alles, was Prange treibt. Als er Pranges Annäherungsversuche mitbekommt, entbrennt ein Wettbewerb. Und vor allem bleibt Prange eben Prange und steht sich gehörig selbst im Weg.
BESETZUNG
Ralf Prange
Bjarne Mädel
Horst Rohde
Olli Dittrich
Micki
Božidar Kocevski
Julia Köster-Demirbay
Angelika Richter
Moritz „Der Ökospießer“
Maximilian Scheidt
Benji Schlosser
Jan Georg Schütte
Dörte Krampitz
Katharina Marie Schubert
Malik „Butschi“ Demirbay
Samy Ghariani
Silke
Gabriela Maria Schmeide
Kathrin „Die Elblette“
Linn Reusse
Niklas „Der Blasse“
Michel Diercks
u.v.m.
STAB
Buch
Andreas Altenburg
Regie
Lars Jessen
Kamera
Kristian Leschner
Schnitt
Michael Münch, Sebastian Thümler
Kostümbild
Anette Schröder
Maskenbild
Maike Heinlein
Kindercasting
Patrick Dreikauss
Szenenbild
Dorle Bahlburg
Musik
Anna Bauer
Ton
Matthias Wolf
Casting
Marion Haack
Produktionsleitung
Vanessa Eggers, Daniel Buresch (NDR)
Produzent*innen
Maren Knieling, Lars Jessen
Redaktion
Philine Rosenberg, Christian Granderath
Drehzeit
16.12.2024 – 29.01.2025
Länge
89:07 Minuten
Drehort
Hamburg
„Prange“ ist eine Produktion der „Florida Film GmbH“ im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks für die ARD.
„In der Schaumtapetenabteilung eines Baumarkts spüre ich die Romantik“
Autor Andreas Altenburg und Regisseur Lars Jessen über ihre romantische Komödie, Drehen im Treppenhaus und frohe Botschaften zu Weihnachten
Haben Sie beim Schreiben ihres Romans „Man ist ja Nachbar – Ralf Prange nimmt an“ an Bjarne Mädel als Titelhelden gedacht?
Andreas Altenburg
Andreas Altenburg
Andreas Altenburg: Das Buch kam 2021 heraus, da war an einen Film noch nicht zu denken. Aber merkwürdigerweise habe ich beim Schreiben schon Bjarne Mädel im Hinterkopf gehabt. Wenn man eine Figur entwickelt, stellt man sie sich ja auch irgendwann optisch vor, und das war für mich tatsächlich Bjarne.
Lars Jessen: Ich habe Bjarne das Buch vor zwei Jahren nach einem Dreh in Hamburg-Altona gegeben. Er fand es gleich gut. Also haben wir überlegt: Wollen wir einen Film oder eine Serie daraus machen? Wir sind dann auf den NDR zugegangen und das Projekt nahm einen dynamischen Verlauf.
Andreas Altenburg: Der NDR war unser natürlicher erster Ansprechpartner. Wir hatten schon die Fernsehcomedy-Serie „Jennifer – Sehnsucht nach was Besseres“ zusammen gemacht. Der Sender kannte unsere lakonische Art, Geschichten zu erzählen.
Ist Ihr Protagonist Ralf Prange ein Lakoniker oder eher „ein Schnacker“, wie er im Film einmal genannt wird?
Andreas Altenburg: Prange ist einfach jemand, der seine Gedankenwelt verbalisiert. Er möchte ja keine Treffer landen, allenfalls für sich selbst, und er ist nicht von so einer Gefallsucht ergriffen, wie man sie irgendeinem Schnacker unterstellen würde. Prange trägt sein Herz auf der Zunge. Und das machen – anders als es das Klischee besagt – einige in Norddeutschland.
Lars Jessen: Die Geschichte handelt im Grunde von Einsamkeit und davon, wie Menschen mit ihr umgehen. Das Alleinsein führt zu einer Form von Kommunikation, die sehr selbstreferenziell ist. Durch die vielen Jahre mit seiner Mutter in der kleinen Wohnung ist er zu einem Sonderling geworden. Es fällt ihm schwer, mit der restlichen Welt in Kontakt zu treten. Diese Sozialphobie ist eine Burg, in die er sich zurückzieht, damit er seine Verletzlichkeit nicht preisgeben muss. Prange ist für mich eine sehr moderne Figur. Sein Verhalten sagt viel über die Gegenwart aus. Aber uns geht es vor allem um die Frage: Wie kommt man aus der Einsamkeit heraus?
Ist Prange der selbsternannte Hauswart aus dem Erdgeschoss, aber auf sympathisch?
Andreas Altenburg: Er beobachtet die Welt aus dem Türspion, als wäre das Leben eine Peepshow. Er kann hinter der Wohnungstür natürlich mit sehr viel Selbstbewusstsein stehen, aber er erstarrt, sobald er ertappt wird und der Blick zurückfällt. Dieses Ausspähen, dieses Übergriffige, was zutiefst menschlich ist, trage ich persönlich auch ein bisschen in mir, ohne darin unbedingt einen Handlungsauftrag zu sehen. Prange guckt nur mal kurz durch die Luke, um dann in seiner Gedankenwelt hoch und höher zu fahren. Weil er allein ist, ohne Korrektiv, und es nicht unmittelbar reflektiert wird.
In Ihrer Liebeskomödie schlendern Prange und die Paketzustellerin Dörte bei ihrem ersten Rendezvous durch einen Baumarkt. Ist das nicht eine etwas seltsame Vorstellung von Romantik?
Andreas Altenburg: Wir haben allgemein so eine abgeschmackte Vorstellung von Romantik. Valentinstage. Ein Schaumbad mit Rosenblättern. Ich kann da überhaupt nichts Romantisches entdecken. Es geht um die kleinen Gesten, darum, einmal einen Schritt auf den anderen zuzugehen.
Und in der Schaumtapetenabteilung eines Baumarktes, beim Kauf einer Vinyltapete, leicht entflammbar, Ornamentstruktur, da spüre ich die Romantik. Sie geht ja direkt in ein erotisches Flirren über.
Lars Jessen
Lars Jessen
Lars Jessen: Manchmal ist das Kleine ja auch groß. In einer Szene sieht Prange durch das Fenster seiner Wohnung Dörte im Regen stehen. Da geht er zum ersten Mal in seinem Leben in Hausschuhen auf die Straße. In Puschen vor die Tür, das ist für ihn das größte Hindernis, das es zu überwinden gibt. Unsere Geschichte spielt in einem für die Mehrheit total alltäglichen Milieu. Die meisten Menschen wohnen nicht in Vierteln wie Prenzlauer Berg, Ottensen oder Bogenhausen. Und darin die Romantik zu finden, das ist für mich gleichzeitig Bigger Than Life und das Leben selber.
In romantischen Komödien machen die Verliebten für gewöhnlich eine große Wandlung durch. Ist das bei Prange auch der Fall?
Andreas Altenburg: Es gibt viele gute amerikanische Komödien, die ich liebe, aber nur bis zu Minute 80 ungefähr. Ab dann geht es mir oft auf den Keks, dass die Figuren verraten werden, damit man ein gutes Happy End hinkriegt. Warum muss man dramaturgisch immer ein Riesenfass aufmachen anstatt mit kleinen Stellschrauben auf sein Umfeld zu reagieren? Warum muss ein grantelnder Typ wie Prange auf einmal zuvorkommend sein und nicht am Ende immer noch ein grantelnder Typ?
Ist es eine besondere Herausforderung, einen Film im Treppenhaus zu drehen?
Lars Jessen: 36 Drehbuchseiten Treppenhaus, dazu die Szenen in der kleinen Wohnung, dieser Film ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung gewesen. Wir wollten den Alltag der Menschen, die im Haus wohnen, nicht zu sehr behindern. Die Szenenbildnerin und der Kameramann mussten den Ort in jeder Einstellung neu entdecken, damit der Film nicht klaustrophobisch wirkt. Und dann wollten wir nicht immer nur in diesem kleinen Schuhkasten drehen, sondern den Stadtteil Hamburg-Barmbek zeigen. Es ist ein architektonisch beeindruckendes Viertel, gerade wenn man von oben draufguckt. Gleichzeitig strahlt es so eine englische Arbeiterviertel-Romantik aus. Ich hatte schon immer große Lust darauf, einen Working-Class-Film zu machen.
Filme zu Weihnachten haben für die Zuschauer eine frohe Botschaft parat. Welche sendet Prange hinaus?
Lars Jessen: Ich möchte das Bild einer Welt erzählen, die ich gut finde, und nicht das Bild einer Welt, die ich schlecht finde. Darum geht es mir bei dem Schluss. Ich sehe mich als Geschichtenerzähler in der Verantwortung, ein fiktionales Angebot zu machen, wie eine solidarische Gesellschaft aussehen könnte, in der die Menschen füreinander da sind. So wie es ein Stück weit in unserem Haus in Barmbek der Fall ist. Es ist eine optimistische Welt, die gleichzeitig total real ist.
Andreas Altenburg: Die Botschaft ist, dass man nicht immer so hoch ins Regal greifen muss, um ein bisschen Liebe für sich zu erwischen. Wenn man sich anschaut, von wo Prange kommt und wo er endet, und was er dafür einsetzten musste, dann ist das gar nicht mal so wahnsinnig viel. Er muss sich nur damit abfinden, dass man selber ein paar Fleischbeutel für die Silvesterparty kauft, obwohl andere nur Möhrensticks mitbringen.
„Es ist berührend, ohne kitschig zu sein“
Bjarne Mädel über einen liebenswerten Meckerkopp, über zwei einsame Seelen, die sich finden, und ein Mietshaus voller schräger Figuren
Es klingelt an Ralf Pranges Wohnungstür. Er öffnet und sieht die Paketzustellerin Dörte Krampitz. Ist es Liebe auf den ersten Blick?
Absolut. Er ist schockverliebt. Dieses Gefühl kannte er vorher gar nicht. Er dachte, dass die „Liebe auf den ersten Blick“ über das Äußere funktioniert. Aber das, was er da jetzt erlebt, ist etwas anderes. Man guckt sich in diesem Moment in die Seele und erkennt sofort, dass man ein Partner fürs Leben sein könnte. Eine gegenseitige Bereicherung. Als würde man in einen Karton mit einem 5000 Teile Puzzle greifen, zwei willkürliche Teile herausnehmen und siehe da: Sie klicken ganz geschmeidig und perfekt ineinander.
Ist Prange, der selbsternannte Hausmeister aus dem Erdgeschoss, im Grunde ein liebenswerter Kerl?
Beim Spielen dachte ich: Ich will die Figur nicht zu früh aufweichen, sondern so lange wie möglich negativ und unangenehm bleiben. So wie in der Anfangsszene, die an Halloween spielt. Da mault Prange ein paar Kinder an, die Süßigkeiten sammeln, meckert über den Geruch von Kohlsuppe im ganzen Haus und pfeift den Besitzer eines im Flur abgestellten Fahrrads an. Er hat halt seine Prinzipien. Als dann sein Nachbar Horst Rhode dazukommt, sagt Prange zu ihm: „Seit 40 Jahren nervst du mich“. Woraufhin der antwortet: „Ja, aus Gründen.“ Ein grandios lakonischer Dialog. So etwas zu spielen, macht Spaß. Ich habe schon beim Auswendiglernen gemerkt, wie leicht die Texte in den Kopf fließen. Da ist Musik drin, nicht nur inhaltlich.
Was macht die Geschichte von Prange und Dörte so romantisch?
Ich finde es ist im besten Sinne anrührend, wie die beiden zusammenkommen. Sie sind einsame Seelen, nicht so gewandt im sozialen Miteinander, zwei Planeten, die plötzlich in die gleiche Umlaufbahn geraten. Und es ist sehr romantisch, wie Prange sich am Ende überwindet, in Hausschuhen vor die Tür zu treten und durch den Regen auf Dörte zuzugehen. Es ist eben das Äußerste, wozu ihn die Liebe treibt. Ich finde, es ist die besondere Kunst des Autors Andreas Altenburg, das Romantische in den kleinen Dingen und an den alltäglichen Orten zu finden und groß zu machen.
Gehen die Verliebten nicht irgendwie komisch miteinander um?
Dass sich unsere Figuren immer so anmaulen, ist bei der Probe zwischen Katharina Marie Schubert und mir entstanden.
Man meint fast, es herrscht eine Aggressivität zwischen ihnen. Das macht die Geschichte speziell. Sie ist daher auch nicht so gefühlig in der Wirkung.
Da pampen sich zwei unentwegt an, und man merkt trotzdem die Sympathie und Sehnsucht, die darin oder drunter liegt. Dass diese Idee aufgegangen ist, liegt natürlich auch an Katharinas Spiel, die der Dörte etwas ganz toll „Verhuschtes“ gegeben hat. Es ist ja eine Binsenweisheit, aber ich wiederhole es hier gern: Mit einer anderen Besetzung wäre es ein anderer Film geworden.
Zeigt der Film eine Hausgemeinschaft, wie man sie sich wünscht?
Unser Regisseur Lars Jessen hat im Vorfeld gesagt, „Prange“ ist für ihn ein Film über das Gelingen. Bei den Dreharbeiten hatte ich dann auch wirklich das Gefühl: In dieser Hausgemeinschaft, mit diesen Leuten würde ich auch gern wohnen. Auch wenn man mal aneinandergerät. Aber das Haus hat eine große Menschlichkeit als Fundament. Es war uns allen ein Anliegen, zu zeigen, dass in diesen Zeiten, wo viel gegeneinander geht, auch mal etwas miteinander funktioniert.
Warum ist „Prange. Man ist ja Nachbar“ der etwas andere Weihnachtsfilm?
Er ist berührend, ohne kitschig zu sein. Wenn in einem Weihnachtsklassiker der Kunstschnee rieselt und die Geigen einsetzen, wird es für mich unerträglich. Bei uns regnet es eben. Gleichzeitig haben wir uns aber nicht gescheut, eine frohe Botschaft rauszuhauen. Von Liebe und Zusammenhalt. Auch wenn wir davon etwas anders erzählen als sonst vielleicht üblich. Bei uns gibt es die verwirrte Oma aus der dritten Etage, ihr gegenüber den Öko-Spießer auf Kohlsuppendiät samt Partner, dann die überforderte Mutter mit dem Arschlochkind aus dem zweiten Stock, den Prange kurioserweise wie einen gleichaltrigen Kumpel behandelt, und im Erdgeschoss die beiden Aufpasser – das ist ja nicht unbedingt das typische Personal für eine Weihnachtskomödie. Aber gerade weil die Figuren so eigenwillig, schräg und liebenswert sind, entwickelt sich im Spiel eine große „vorweihnachtliche“ Magie.
Rollenprofil Ralf Prange
Korrekt muss es zugehen, findet Ralf Prange. Fahrräder gehören nicht ins Treppenhaus, denn das ist eine gemeinschaftlich genutzte Fläche. Und wie soll eine Gemeinschaft in einem Mietshaus funktionieren, wenn sich nicht alle an die Regeln halten. Prange hat viel Zeit und genug Geld. Eigentlich müsste es ihm gut gehen. Aber es gibt eine Leere in seinem Leben, die sich auch nicht durch Kontrollblicke durch den Türspion füllen lässt. Wie sehr ihm die Zweisamkeit mit einer Partnerin abgeht, merkt Prange erst, als er Dörte Krampitz kennenlernt. Da ist sofort eine Sympathie, für die er keine Worte findet. Die Paketbotin liefert so perfekt ihr Frachtgut ab, dass Prange gar nicht weiß, ob er mehr auf die Frau oder auf die Professionalität steht. Außerhalb seiner Routinen fühlt sich Prange wie ein Fisch an Land. Pakete für die Nachbarn annehmen, sich Kabbeleien mit seinem Nachbarn Horst liefern, aber dann doch für ihn die Pressspanplatte vom Baumarkt mitbringen, Grillfleisch für das ganze Haus besorgen und sich dann über den Preis und die mangelnde Wertschätzung beklagen: So geht es jahrein, jahraus und so darf es gerne weitergehen, denn das kennt Prange, das gibt ihm Sicherheit.
Aber jetzt hockt immer Malik, der kleine Sohn der neuen Nachbarin, bei ihm herum. Mit dem weiß Prange nicht viel anzufangen, aber wegschicken mag er den einsamen Jungen auch nicht. Als wäre diese Ersatzvaterrolle nicht schon seltsam genug, muss er auf einmal ein Date mit Dörte arrangieren. Das erste. Vielleicht sogar sein allererstes. Was sagt man denn da? Immerhin hilft das Internet mit Gesprächsthemen aus. Aber er bleibt ja Prange. Was soll Dörte an ihm interessant finden? Seine Modellboote? Da rät Pranges Schwester ihm ab. Und stimmt es, was Horst über Pranges ehemalige Arbeit in der Wurstfabrik sagt? Ob der Geruch wirklich nie mehr rausgeht?
„Sie ist in allem ein bisschen schräg“
Katharina Marie Schubert über ihre Figur Dörte, über Getränkestempel und ein Drehbuch, das sich fast wie ein Theaterstück liest
Der Job einer Paketzustellerin ist hart. Das scheint Dörte Krampitz nicht sonderlich zu belasten. Liebt sie, was sie tut?
Ja, wie in allem ist sie auch darin ein bisschen schräg. Sie ist gern in Bewegung und mag den Kontakt zu Menschen. Die sind immer nett und freuen sich, wenn sie ein Päckchen bringt. Dörte ist am Anfang schon ein bisschen einsam und unglücklich. Pakete zuzustellen, ist für sie eine Möglichkeit, nicht allein zu sein, weil man ständig Leute trifft.
Was macht Dörte zu einer schrägen Figur?
Ich sage es mal so: Der Prange ist ja so launisch und unsicher. Er hat seine Prinzipien und ist einfach ein Nerd. Und das alles ist Dörte auch. Sie hat ihre komische Art und Weise, wie sie arbeitet und selbst wie sie isst. Früher hat sie bestimmt darunter gelitten, anders zu sein als die Allgemeinheit, doch mit dem Prange merkt sie plötzlich, dass da jemand genauso schräg ist wie sie. Die beiden haben so einen eingemuggelten Ton, miteinander zu reden, wie wir beim Drehen festgestellt haben.
Was liebt sie an ihm? Sie sagt den schönen Satz: „Der ist bei sich, irgendwie!“
Ja genau, was man üblicherweise an Prange nicht so gut findet, das findet sie gerade gut.
Dass er sagt, wenn ihn was stört. Andere empfinden das als zickig oder schwierig, aber sie sagt, nö, dann weißte doch, woran du bist. Sie sammelt genau wie er Getränkestempel. Das findet sie nicht spießig, das findet sie gut. Und als er ihr eine neue ausgefüllte Stempelkarte schenkt, ist es auch ein bisschen um sie geschehen.
Was gefällt Ihnen am Buch und am Film besonders?
Es ist toll, dass der Autor Andreas Altenburg ganz großen Wert auf Dialoge legt. Das Drehbuch liest sich fast wie ein Theaterstück, was ich selten erlebe. Seine Figuren sind in herzlicher Ruppigkeit einander zugetan. Ich würde nicht eine Sekunde glauben, dass sie sich nicht alle helfen würden, wenn es drauf ankäme. Auch wenn sie voneinander genervt sind. Und die Figuren dürfen Fehler haben. Dörte braust ja schnell auf und wird schnell wütend, wenn ihr etwas nicht passt. Bjarne Mädel und Olli Dittrich können solche Figuren mit Fehlern so großartig spielen, dass man sie trotzdem mag. Es geht eben auch viel schief, aber dann ist es wichtig, um Entschuldigung zu bitten und zu verzeihen. Das ist die Haltung zur Welt, die dahinter liegt, bei dem Autor und dem Regisseur.
Rollenprofil Dörte Krampitz
Eigentlich kommt Dörte Krampitz ja vom Land. Ehrlich und geradeheraus ist man da. Und trotzdem hat sie sich aus Versehen einen „Schnacker“ geangelt. Ein schlimmeres Schimpfwort für einen Mann kann sie sich kaum vorstellen. Also hat sie den sitzen lassen und ist in die Stadt gegangen. Jetzt fährt sie Pakete aus und fühlt sich in ihrem Leben ziemlich wohl. Aber dass sie ihren Job so mag, weil sie die Kontakte mit den Menschen an den Wohnungstüren schätzt, sagt einiges über ihre sozialen Kontakte aus. Was genau sie an dem ein wenig wortkargen Ralf Prange gut findet, weiß sie erstmal selbst nicht so genau. Vielleicht gefällt ihr, dass Prange gefällt, dass sie nicht gleich alle Pakete im Erdgeschoss abgibt, sondern immer noch an jeder Wohnungstür klingelt. Das wissen nicht alle zu würdigen. Auch seiner Prinzipienreiterei kann sie etwas abgewinnen. Die ist schließlich eine gewisse Form von „geradeaus“. Aber am wichtigsten ist: Er darf kein Schnacker sein.
Überhaupt nicht geradeaus sind Pranges Annäherungsversuche. Dörte hat Schwierigkeiten, sie als solche zu erkennen. Für alles scheint Prange einen Grund, einen Vorwand, eine konstruierte Situation zu brauchen. Wünsche und Gefühle liegen ihm nicht so auf der Zunge. Und wenn Dörte mal vorsichtig in die Richtung vorfühlt, zieht Prange sich zurück wie eine Schnecke. Trotzdem ist er ihr lieber als Horst Rohde, der auch ein Auge auf sie geworfen hat. Irgendetwas muss es ja bedeuten, dass alle Nachbarn ihm ihre Pakete anvertrauen. Das kann sie als Paketfahrerin beurteilen.
„Beim Drehen fühlte ich mich an meine Jugendzeit erinnert“
Olli Dittrich über seine Figur Horst Rohde, seltsame Filmpaare und sein Leben als Mieter
Norddeutscher Humor ist lakonisch, heißt es immer. Man hält sich kurz, macht nicht viele Worte. Ist das nicht ein Klischee?
Ich habe einmal gehört, dass ein Klischee aus einer überzeichneten oder ironischen Betrachtung von Wahrheit entsteht. Taxifahrer zum Beispiel wurden in früheren Filmen immer mit Lederweste und Mütze dargestellt, auch weil man dieses Outfit häufig an ihnen beobachtet hat. So ähnlich verhält es sich vielleicht mit den Norddeutschen, denen wenig oder ein sehr trockener Humor nachgesagt wird. Als Komödiant und Humorist kann ich das selber aber nicht bestätigen. Bei meiner Figur Dittsche aus Hamburg ist Zurückhaltung nicht das oberste Gebot, im Gegenteil, er ist ein großer Schwadroneur. Schnacker wie ihn habe ich genügend kennengelernt.
Ist der Humor von Andreas Altenburg ähnlich wortreich und empathisch?
Auch in seinen Geschichten wird sehr viel geredet und gemenschelt. Und es gibt eine Menge Lokalkolorit, nicht allein durch die Mundart, sondern durch die Art und Weise, wie seine Figuren den Alltag betrachten und reflektieren. Andreas Altenburg ist ein großartiger Beobachter der im allerbesten Sinne einfachen Leute und deren Milieus, wo die Wahrheit oft gelassen ausgesprochen wird. Dinge aus dem alltäglichen Leben herauszupicken und sie an den richtigen Stellen fein anzureichern, sodass man darüber lachen kann, ohne jemanden auszulachen, ist seine große Qualität als Autor. Und wenn dann herausragende Darsteller wie Katharina Marie Schubert und Bjarne Mädel das Hochkomische im Alltäglichen so wiedergeben, dann hebt das nochmal in eine andere Dimension ab.
Ist Ihre Figur Horst Rohde der Aufpasser im Mietshaus?
Rohde ist der Mann im Türrahmen. Er lebt eigentlich nur in seinem Türrahmen. Ich weiß nicht, ob er noch anderes zu tun hat. Er achtet auf alles und guckt, dass der Müll ordentlich verbracht wird. In einer Szene kommt sein Nachbar Prange aus dem Haus und will zum Baumarkt gehen, da steht Rhode an der Mülltonne und sagt messerscharf: „Na, willste in den Baumarkt, Prange?“
Man fragt sich natürlich, woher weiß er das? „Ja, du wirkst so!“, sagt er dann. Was für ein großartiger Satz! Ich habe mich kaputtgelacht, als ich ihn das erste Mal gelesen habe. Ein einziger Satz bringt die große menschliche Verbindung zwischen den Figuren rüber, so etwas finde ich wunderbar. Man hat auch den Eindruck, je zickiger Rhode wird, desto herzenswärmer und mitfühlender ist er, was Prange angeht.
Bilden die beiden Nachbarn ein klassisches Odd Couple?
Diese Konstellation finden wir schon bei „Pat und Patachon“ und „Laurel und Hardy“, später in der Filmkomödie „Ein seltsames Paar“ mit Walter Matthau und Jack Lemmon. Die eine Figur tut und macht alles, und die andere flickt ihm ans Zeug, und umgekehrt, da wechseln die Dynamiken. Zwischen Prange und Rhode kommt es im Hausflur täglich zu Scharmützeln, und das nicht erst seit gestern. An einer Stelle sagt Prange: „Seit 40 Jahren nervst du mich!“ Es ist eine Buddy-Connection seit der Teenagerzeit. Obwohl sie sich gegenseitig auf die Nerven fallen, ist ihre Freundschaft fest verwurzelt, das ist das Schöne daran.
Der Film spielt in einem Mietshaus, in dem die Menschen füreinander da sind. Geht es in Ihrem Mietshaus in Hamburg ebenso harmonisch zu?
Mitunter habe ich es auch schon so erlebt. In unserem Mietshaus gibt es ein paar Parteien, die hier ähnlich lange wohnen wie ich. Da achtet man aufeinander und hilft mal aus, wenn der eine oder andere Nachbar im Urlaub ist. Allerdings stelle ich fest, dass die Fluktuation heute höher ist als in früheren Jahren. Die Leute ziehen schneller ein und aus. Wer wohnt denn noch 30 oder 40 Jahre lang im selben Haus? Ich bin in einem ganz normalen Mehrfamilienhaus in Hamburg-Langenhorn aufgewachsen, in einem Rotklinker wie im Film. Wir waren mit allen freundschaftlich verbunden, die im Haus gewohnt haben. Beim Drehen fühlte ich mich tatsächlich an meine Jugendzeit erinnert. Das Haus, der Flur, die Wohnungen, es sah bei uns ganz ähnlich aus.
Rollenprofil Horst Rohde
Fast ist Horst Rohde so etwas wie ein Zwilling von Ralf Prange. Horst ist zwar etwas älter, aber auch alleinstehend und als Rentner immer zu Hause. Ihre Wohnungstüren liegen sich gegenüber, und wenn Horst durch seinen Türspion schaut, kann er Pranges Blick geradezu spüren. Er ist im Haus so etwas wie der Organisator, das „Ein-Mann-Komitee“ für gemeinschaftliche Anlässe. Prange ist da mehr der Polizist. In Sachen unnötiger Genauigkeit steht Horst Rohde seinem Nachbarn aber in nichts nach, er drückt sich bloß wortreicher aus. Horst zeigt auch erst Interesse an Dörte, als er meint, selbiges bei Prange zu beobachten. Sein Werben läuft deshalb über Eck. Lieber bei Dörte gegen Prange sticheln als selbst einen Schritt machen. Während Prange versemmelte Begegnungen mit Dörte sammelt, kann sich Horst nie zu etwas durchringen. Das Äußerste ist sein – abgelehntes – Angebot, Dörte beim Tapezieren zu helfen. Aber Horst ist ein guter Verlierer und er bleibt bei allen kleinen Gemeinheiten offen und fair. Vielleicht weiß Horst, dass er seinen schrulligen Nachbarn braucht.
Malik „Butschi“ Demirbay
Umziehen ist Mist. Malik „Butschi“ Demirbay hat keine Lust auf die neue Gegend, die neue Wohnung, die neuen Nachbarn. Freunde hat er nicht, vielleicht gab es nicht einmal alte, egal, was seine Mutter behauptet. Damit alle sehen, wie schlecht es ihm geht, lässt er sich ab und zu fallen und täuscht einen Unfall oder eine Verletzung vor. Videospiele sind gut, sonst nicht viel. Obwohl: Einen neuen Freund gibt es. Freund ist wohl nicht das richtige Wort. Es gibt jedenfalls einen, in dessen Gegenwart sich Malik wohlfühlt: der mufflige Prange. Zusammen mit dem Paketfahrer Micki – vielleicht schon der zweite Freund – sitzt Malik gern in Pranges Wohnung und trinkt Malzbier. Hier fühlt er sich ernstgenommen, vor allem, weil Micki und er Prange wegen Dörte beraten. Da kann Malik auch mit seinen Digitalkenntnissen punkten, wenn er für Prange günstige Gesprächsthemen beim Daten recherchiert. Irgendwann fängt Prange an, Malik „Butschi“ zu nennen. Das gefällt Malik. Er wird wahrgenommen, sein Platz wird anerkannt. Er ist nicht mehr nur irgendein Junge.
„Am meisten Spaß hatte ich beim Improvisieren“
Statement von Samy Ghariani der Malik „Butschi“ Demirbay spielt
Mit berühmten Schauspielerinnen und Schauspielern zu arbeiten, war richtig toll. Alle waren supernett, das hat sich am Set echt wie eine Familie angefühlt. Ich würde es auf jeden Fall weiterempfehlen, irgendwo zu schauspielern. Von den anderen Darstellern konnte ich viel lernen. Zum Beispiel von Bjarne: Er hat alles total gechillt gemacht, dadurch habe ich auch gelernt, selbst entspannter zu spielen. Am meisten Spaß hatte ich beim Improvisieren. Da konnte man einfach ausprobieren, was man möchte. Und wenn eine Idee angenommen wurde, habe ich mich natürlich gefreut, vor allem, wenn man sie später im Film wiedererkannt hat.
Podcast „Barmbek Bump – Prange vs. Rohde“
„Barmbek Bump - Prange vs. Rohde“ ist ein fiktionaler Comedy-Nachbarschafts-Podcast über Wrestling aus dem Rotklinker in Hamburg Barmbek: Hier wohnt Prange (Bjarne Mädel). Wrestling interessiert seinen Nachbarn Rohde (Olli Dittrich). Und beide interessieren sich für Paketfrau Dörte, die sich wiederum für Wrestling interessiert. Also setzt sich Rohde mit seinem Podcast-Starter-Set an den Couchtisch und labert los. Nur leider stört immer jemand. Dieser Jemand ist meistens Prange. Jedes Mal platzt er in die Aufnahme, übers Telefon, durch die Tür, er kommt über den Balkon oder ist schon da. „Prange, setz Dich“. Die zwei vergessen, dass da eine Aufnahme läuft, und das Gespräch nimmt eine komplett andere Richtung: ehrlich, schonungslos und absolut authentisch. Es geht um Hausgerüche, zugestellte Treppenaufgänge, Tiere im Haus, Paketannahme, Kohlsuppe – und ein bisschen auch um Dörte und die Liebe.
Cast und Stab
Ralf Prange / Bjarne Mädel
Horst Rohde / Olli Dittrich
Skript / Regie / Andreas Altenburg
Dramaturgie / Schnittstelle Film / Ulrike Toma
Distribution Podcast / Nina Wietholz, Max Rohloff
Digitale Formatentwicklung / Christina Hollstein
Produktion / Technik / Michael Woddow, Oliver Kleist
Redaktion / Thomas Hanik, Andrè Chu
Asset Produktion / Sarah Seitz
Fotos / Niklas Kusche
Projektleitung & Redaktionelle Verantwortung / Christina Haacke
Impressum
Herausgegeben von Presse und Kommunikation / Unternehmenskommunikation
Redaktion:
Bettina Brinker, NDR/Presse und Kommunikation
Mitarbeit:
Nicola Sorgenfrey, NDR
Interviews:
Helmut Monkenbusch
Rollenprofile:
Sven Sonne
Gestaltung:
Ralf Pleßmann, NDR/Presse und Kommunikation
Bildnachweis:
NDR/Manju Sawhney/Thomas Leidig
NDR/Klaus Westermann (Andreas Altenburg)
Fotos:
www.ard-foto.de
Presseservice:
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