Vierteilige Musik-Dokumentation
Teile 1-3 ab 23. November in der ARD Mediathek
Wie klingen die großen und einschneidenden Momente deutscher Geschichte? Wie klingen die Phasen des Umbruchs und der Erneuerung? In der vierteiligen NDR Musik-Dokumentation „My Song, Our History - Deutschland, deine Lieder“ werden bedeutende Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen in Musik erzählt – jeder Song eine Zeitreise, die uns in die persönliche Perspektive eines Künstlers eintauchen lässt. Es sind Momente, die unser Land erschüttert, bewegt und verändert haben – und nun durch große Hits der letzten Jahrzehnte erlebbar werden.
„My Song, Our History“ eröffnet mit Jennifer Weist (Yaenniver/Jennifer Rostock) und ihrem Song „Mädchen, Mädchen“, der im Original von der 90er-Ikone Luci van Org stammt. Was in den 1990er-Jahren als Empowerment junger Frauen begann, hat Jennifer in ihrem künstlerischen Schaffen bis heute geprägt. In ihrer Neufassung des ikonischen Songs bekommt der Inhalt eine ganz neue, aktuelle Wendung.
Auch Deutsch-Rapper Eko Fresh nimmt uns mit auf eine sehr persönliche und emotionale Reise: Sein Track „Es brennt!“ erzählt vom Nagelbombenanschlag des „NSU“ („Nationalsozialistischer Untergrund“) in der Kölner Keupstraße – ein rassistischer Terrorakt, der Ekos unmittelbare Nachbarschaft traf und dessen Aufarbeitung bis heute nachwirkt. Vor Ort erlebt der Rapper sowohl Ohnmacht als auch Hoffnung.
Die Fehlfarben und ihr Hit „Es geht voran“ aus den frühen 80ern beschreiben den Puls einer unruhigen Zeit – ein Kapitel deutscher Geschichte, das mit all seinen Höhen und Tiefen aktueller ist, als man glauben mag.
„My Song, Our History“ gibt Künstler*innen die zeitgeschichtliche Bühne, um Geschichte auf ihre ganz persönliche Weise zu erzählen – intim, bewegend und authentisch.
Die ersten drei Folgen sind ab Sonnabend, 23. November, in der ARD Mediathek zu sehen. Im NDR Fernsehen laufen sie in der Nacht vom 23. auf den 24. November ab 0.45 Uhr.
Folge 4 ist für das Frühjahr 2025 geplant. Wer dann im Mittelpunkt steht, wird später veröffentlicht.
Folge 1
„Mädchen, Mädchen“ - Yaenniver
Als „Mädchen, Mädchen“ 1994 die Charts erobert, fühlen sich unzählige Mädchen und Frauen im ganzen Land angesprochen. Der Song, der Frauen als selbstbewusste, eigenständige Persönlichkeiten jenseits der traditionellen Frauenrollen feiert, trifft den Nerv der Zeit – und das auf eine Weise, die bis dahin selten war: Er thematisiert die Selbstbestimmung von Frauen, auch in ihrer Sexualität, ein Thema, das zuvor kaum in der Popkultur behandelt wurde. Dieser Song steht sinnbildlich für die Girlie-Kultur der 90er-Jahre, in der Frauen wie die Spice Girls oder Tic Tac Toe die Bühne erobern.
In Folge 1 von „My Song, Our History“ erzählt Jennifer Weist, wie auch sie als Kind von der Begeisterung rund um „Mädchen, Mädchen“ mitgerissen wurde. Doch ihre eigene Realität als Mädchen und später als Frau in Deutschland sieht ganz anders aus: Schon früh erlebt sie Bedrohungen und spürt, dass sexualisierte Gewalt – auch in ihrer Karriere als Künstlerin – immer wieder präsent ist. Die Rolle der Frau bleibt ein Thema, das die deutsche Politik und Gesellschaft spaltet. Von „Nein heißt Nein“ – einem Meilenstein in der Gesetzgebung – bis zur #MeToo-Bewegung, die aufdeckt, wie Männer in Machtpositionen sexuelle Übergriffe nutzen, um ihre Dominanz zu sichern. Für Jennifer zeigen Themen wie der Gender Pay Gap und der Gender Care Gap, dass wir noch weit davon entfernt sind, eine Gesellschaft zu schaffen, in der Frauen wirklich selbstbestimmt und gleichberechtigt leben können. Diese Erfahrungen bringen Jennifer dazu, „Mädchen, Mädchen“ rund 30 Jahre später auf ihrem ersten Solo-Album neu zu interpretieren.
In dieser Folge spricht auch die Original-Songwriterin Luci van Org über die Entstehung des Hits. Gemeinsam diskutieren Yaenniver und Luci, ob sich seit den 90ern wirklich so viel in Sachen Gleichstellung und Frauenrechte verändert hat – oder ob alte Muster noch immer allgegenwärtig sind.
Folge 2
„Es brennt!“ - Eko Fresh
Als 2004 eine Nagelbombe in der Kölner Keupstraße explodiert, trifft es die vorwiegend migrantische Community der Straße schwer. 22 Menschen werden verletzt, zahlreiche Geschäfte verwüstet – die Brutalität dieses Angriffs hinterlässt die Bewohner fassungslos. Die Behörden vermuten zunächst, dass die Täter Verbindungen zur Keupstraße haben, und ordnen die Tat als möglichen Clan-Konflikt ein. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily schließt einen rechtsterroristischen Hintergrund aus. Die Ermittlungen ziehen sich hin, während die Betroffenen mit ihrem Trauma und der Angst vor weiteren Angriffen allein gelassen werden.
In Folge 2 von “My Song, Our History” erzählt Rapper Eko Fresh, der bereits damals ein Star in Deutschland und bekannt für seinen humorvollen und unkonventionellen Stil war. Er kommt aus Köln-Kalk und verbringt viel Zeit in der Keupstraße. „Ich war der Rapper aus der Gegend“, sagt Eko und fühlt sich nach dem Anschlag verpflichtet, seine Solidarität mit den Opfern und Betroffenen bei einem Benefizkonzert in der Keupstraße zu zeigen.
Das falsche Narrativ, der Anschlag sei ein interner Konflikt, hält sich jahrelang. Erst 2011 bringt ein Bekennervideo von Beate Zschäpe die Wahrheit ans Licht: Die Bombe war Teil der Anschlagsserie der rechtsextremen Vereinigung, die sich NSU nennt. Die schleppenden Ermittlungen und die voreilige Verurteilung der Opfer lassen bis heute den Vorwurf bestehen, dass die migrantische Community zu Unrecht kriminalisiert und ignoriert wurde.
Viele wissen auch heute noch nicht, wie sich der Nagelbombenanschlag von Köln wirklich zugetragen hat. Mit seinem Song „Es brennt“ aus dem Jahr 2014 möchte Eko Fresh dieser Unwissenheit begegnen. „Ich muss über diesen Vorfall sprechen“, sagt Eko. „Wenn ich das nicht erzähle, wer soll es dann erzählen?“
Folge 3
„Ein Jahr (Es geht voran)“ – Fehlfarben
Mit ihrem Kult-Hit „Ein Jahr (Es geht voran)“ traf die Band Fehlfarben 1980 den Nerv einer ganzen Generation – und die Parallelen zu heute sind erschreckend deutlich. In Folge 3 von „My Song Our History“ beschreibt die Band die damalige Zeit des Umbruchs, die von Themen geprägt war, die sich heute zu wiederholen scheinen: „Es gibt irrationale Politiker, die plötzlich an die Macht kommen wollen. Es gibt Umweltangst. Es gibt Krisenangst. Es gibt Terrorismusangst.“ Diese Zeilen spiegeln die Stimmung in Westdeutschland der frühen 80er Jahre wider, eine Ära, die zwischen Aufbruch und Resignation pendelt.
Im Westen Deutschlands ist die Gesellschaft gespalten: zwischen Punk und Poppern, zwischen der Hoffnung auf Veränderung und dem Gefühl der Ohnmacht. Es sind die letzten Jahre der Regierung von Helmut Schmidt, während sich mit Helmut Kohl bereits eine neue konservative Ära anbahnt. Die Ängste vor RAF-Terror, dem Kalten Krieg und einer nuklearen Katastrophe sind allgegenwärtig. Bewegungen wie die Anti-Atomkraft-Proteste, Hausbesetzungen und gewaltsame Straßenkrawalle spiegeln den Unmut und das Gefühl von „No Future“, das viele junge Menschen damals spüren.
Während der Schauspieler Ronald Reagan zum US-Präsidenten gewählt wird und der Kalte Krieg weiter eskaliert, verstärkt sich das Gefühl der Unsicherheit. Fehlfarben schaffen es, all diese Widersprüche in ihrem Song „Es geht voran“ zu verarbeiten: ein bitterer, sarkastischer Kommentar zu einer Gesellschaft im Umbruch, die von Zukunftsängsten und gesellschaftlichen Konflikten zerrissen wird. Die Fehlfarben-Mitglieder Peter Hein und Thomas Schwebel begeben sich für “My Song Our History” noch einmal an die entscheidenden Orte ihrer Band-Geschichte und lüften die Geheimnisse des Kult-Songs.
Heute klingt „Ein Jahr (Es geht voran)“ fast erschreckend aktuell. In einer Zeit, in der neue Populisten die politische Bühne betreten, Umweltkrisen und globale Unsicherheiten die Nachrichten dominieren, bleibt der Song eine Hymne für all jene, die sich in den Schwankungen zwischen Hoffnung und Frustration wiederfinden.
Stab
Folge 1: „Mädchen, Mädchen“ - Yaenniver
Buch und Regie: Max Langfeldt
Folge 2: „Es brennt!“ - Eko Fresh
Buch: Philipp Jöster, Regie: Max Langfeldt
Folge 3: „Ein Jahr (Es geht voran)“ – Fehlfarben
Buch: Philipp Jöster, Regie: Max Langfeldt
Kamera: Alexander Seidenstücker, John McClellan, Henri Giese
Ton: Matthias Kreitschmann, Caspar Sachse
Art Direction & Animation: Nicolas de Leval Jezierski
Postproduktion: Yves Blänker, Franziska Frahm
Montage: Guido Weyrauch, Anabel Kuntze
Tonmischung: Julius Hofstädter
Musikmischung: Julius Hofstädter
Grading: Michael M. Goder
Produktion DRIVE beta: Florian Fimpel, Chantal Darmstädter, Alexa Josef
Produktion NDR: Dagmar Behrmann
Executive Producer: Catherine Harwardt
Redaktion DRIVE beta: Simone Schillinger, Sahar Eslah
Redaktion NDR: Marc Brasse, Bettina Brade
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