L’amour, l’argent, l’amour
1. April 2024
0.15 Uhr im NDR Fernsehen
Außerdem in der Werkschau von Regisseur Philip Gröning:
„Die große Stille“, 27. März 2024, 22.45 Uhr im BR Fernsehen
„Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“, 3. April 2024, 0.15 Uhr im BR Fernsehen
„Die Terroristen!“, 4. April 2024, 0.55 Uhr im WDR Fernsehen
Alle Filme stehen anschließend in der ARD Mediathek zur Verfügung
Mit einer gemeinsamen Werkschau gratulieren NDR, BR und WDR dem vielfach preisgekrönten Regisseur Philip Gröning zu dessen 65. Geburtstag am 7. April 2024.
Er gehört wie Christoph Schlingensief oder Romuald Karmakar zu den Außenseitern seiner Generation. Ein liebenswürdiger und liebenswerter Einzelgänger und Autorenfilmer, der seine Geschichten über Amokläufer, autistische Kinder, kindische Terroristen, prügelnde Polizisten, inzestuöse Zwillinge, schweigende Mönche, Prostituierte und Hilfsarbeiter jenseits des Mainstreams erzählt und sich dabei auch mal von Martin Heidegger und Augustinus inspirieren lässt. Philip Gröning hat damit, was nicht verwundert, selten nennenswerte kommerzielle Erfolge erzielt, aber Filme gedreht, die auf den großen und wichtigen Festivals gezeigt wurden und die bleiben - und sich damit eine wichtige Position im europäischen Arthouse-Kino gesichert. So hat sein britischer Kameramann, Oscar Preisträger Anthony Dod Mantle, den in Grönings Film „Die Terroristen!“ 1992 entwickelten Einsatz und Umgang mit Mini-DVs bei seinen folgenden Arbeiten mit den Regisseuren Lars von Trier und Thomas Vinterberg zu nutzen gewusst und damit grundlegend zur Dogma Ästhetik beigetragen.
Zeit ist nicht nur ein zentraler Begriff in Grönings bislang letztem Film „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“, Zeit ist zugleich auch ein wichtiger Schlüssel für das Verständnis von lediglich sechs abendfüllenden Filmen in mehr als dreißig Jahren, bei denen sich der Künstler Gröning jenseits der eigentlichen Drehzeit extrem intensiv, langwierig und leidenschaftlich mit der Entwicklung einer Drehgrundlage und dem Schnitt des gedrehten Materials auseinandersetzt. Von Filmkritiker Claudius Seidl früh als Genie gepriesen, feiert Gröning nun im April seinen 65. Geburtstag. Ruhestand ist dabei wohl kaum der passende Begriff für einen wie ihn, den Unruhe beim Erzählen über die Ruhe und das Sein und die Zeit und die Zeiten, in denen wir leben, immer angetrieben hat.
„Will you still need me, will you still feed me, when I’m sixty-four“ singen die Beatles auf dem Album „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ – diese Frage beantworten NDR, WDR und BR gemeinsam mit einer kleinen Werkschau des Regisseurs anlässlich seines 65 .Geburtstages. Während der BR Grönings großartigen Dokumentarfilm „Die große Stille“ über schweigende Karthäusermönche und seinen bislang letzten Spielfilm „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ zeigt, strahlt der WDR den bis heute skandalumwitterten und 1992 abgesetzten Spielfilm „Die Terroristen!“ aus, in dem es um ein Attentat auf Bundeskanzler Helmut Kohl in den Wendejahren geht. Der NDR beteiligt sich an der Würdigung von Grönings Schaffen mit der Sendung seines Road Movies „L’amour, L’argent, L’amour“, einer zauberhaften und bedingungslosen Liebesgeschichte im Zeitalter des Geldes, die zugleich eine Hommage an Jean Luc Godard ist und die Dominik Graf „ein 130 Minuten langes großes Solo wie auf einem legendären Rock Konzert..., einen Farben- und Rhythmusrausch ohne Ende“ genannt hat. In dem wichtigen und richtigen Neben- und Miteinander von Mainstream und Arthouse im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und der ARD Mediathek sind auch solche Werkschauen wichtige Mosaiksteine bei der Erfüllung eines Auftrags, der nicht nur darin besteht, dem Markt zu geben, was des Marktes ist, sondern auch das möglich zu machen, was der Markt nicht aus sich selbst heraus schafft.
Christian Granderath
Leiter der Abteilung Film, Familie & Serie, NDR
Patrick Poch
Redakteur Abteilung Film, Familie & Serie, NDR
Alle vier Filme Philip Grönings sind nach der Ausstrahlung in der ARD Mediathek zu finden.
Ein aktuelles Interview mit Philip Gröning zur Werkschau zeigt das TV-Kulturmagazin „kinokino“ ab Dienstag, 26. März, in der ARD Mediathek sowie um 21.45 Uhr auf 3sat.
Über Philip Gröning
Unter den deutschen Regisseuren ist Philip Gröning ein Star – und zugleich der große Unbekannte. Der „Spiegel“ hat ihn einmal eine „Randfigur des deutschen Films“ genannt, was nur dann richtig ist, wenn man das Zentrum des deutschen Films als tiefe Provinz vermutet. Und am Rand kann man gerade noch Venedig erkennen, den Lido, wo jenes Festival gefeiert wird, zu dessen Wettbewerb deutsche Regisseure gern wieder einmal eingeladen würden. Was leider nur sehr selten geschieht. Außer bei Philip Gröning, der in Italien so geschätzt wird, dass die Regisseurin Susanna Nicchiarelli ihn vor ein paar Jahren einlud, bei ihr eine kleine, aber sehr prominente Rolle zu spielen. Philip Gröning trat auf als Karl Marx, dem er äußerlich nicht besonders ähnlich sieht. Innerlich schon, weil er ein ähnlich scharfer Denker ist. Und wenn er, was hoffentlich nicht allzu lange dauern wird, seinen nächsten großen Film dreht, wird er mit großer Sicherheit wieder eingeladen zum Wettbewerb eines jener A-Festivals, in denen die Deutschen notorisch unterrepräsentieret sind.
Einmal, vor mehr als dreißig Jahren, war er für ein paar Wochen richtig prominent, auch wenn diese Bekanntheit auf einem katastrophalen Missverständnis basierte. Am Montag, dem 22. November 1992 stand im „Spiegel“ (verfasst vom Autor dieses Textes) eine kurze Besprechung des Films „Die Terroristen“, der am selben Abend im dritten Programm des Südwestfunks laufen und später in die Kinos kommen sollte. Helmut Kohl, der Bundeskanzler, behauptete immer, er lese den „Spiegel“ nicht, und dass er an jenem Montagabend den Film gesehen hat, ist äußerst unwahrscheinlich. Aber irgendwer muss ihm davon erzählt haben, dass es darin um ein paar junge Menschen gehe, die planten, den „Dicken“, wie er da genannt wird, zu ermorden. Und weil die Spielfilmhandlung immer wieder unterbrochen wird von dokumentarischen Schnipseln, die zeigen, wie der echte Kanzler zum Volk spricht, fühlte Helmut Kohl sich nicht nur gemeint, sondern bedroht. „Ein unerträglicher Vorgang, der uns auch menschlich schwer belastet“, so hieß es in dem offenen Brief, den das Kanzleramt daraufhin verfasste. Eine Strafanzeige gab es auch. Grönings Film konnte doch nichts anderes bedeuten als einen Aufruf zum Attentat. Was die Lesart kinematographischer Analphabeten war. Aber für Gröning wurde es in den folgenden Jahren nicht leichter, die Finanzierung für seine nächsten Filme irgendwie zusammenzukratzen. Und der NDR, der eigentlich federführend war, hat „Die Terroristen“ bis heute nicht ausgestrahlt.
Der Umstand, dass die Leute im Kanzleramt diesen Film, der heute aktueller wirkt, als er es damals schon war, weil es darin viel weniger um Politik als darum geht, dass die jungen Menschen des Films vor ihren Bildschirmen und Displays sitzen und in den Labyrinthen der Bilder und der Virtualität die eigene Wirklichkeit verloren haben, weshalb sie durch eine Tat, das Attentat, diese Wirklichkeit wiedergewinnen wollen – der Umstand, dass Helmut Kohls Leute diesen Film so falsch verstanden haben, zeugt nicht davon, dass Grönings Filme schwer verständlich seien. Auch wenn das genau das populäre Vorurteil über diese Filme ist.
Grönings Filme seien lang und sehr schwierig, klug und präzise, was aber den Zuschauern eher Arbeit als Vergnügen mache. So, ungefähr, nimmt das große Publikum das Werk von Philip Gröning wahr. Und wird darin noch bestärkt von einer Kritik, die Grönings Können natürlich respektiert. Die aber trotzdem unduldsam auf die Länge dieser Filme reagiert. Und auf die implizite Forderung, fürs Betrachten dieser Filme die Perspektive zu wechseln.
Umso größer darf man sich das Glück der französischen Zuschauer vorstellen, die von all den geläufigen Vorurteilen über Philip Gröning nichts wussten; und die vielleicht nur deshalb eine Kinokarte für „Die große Stille“ kauften, weil der Film einen französischen Schauplatz und ein französisches Thema hat: la grande Chartreuse, das Mutterkloster des Kartäuserordens, in dem Gröning drehen durfte unter der Bedingung, dass er dort selbst so lebte wie ein Mönch. Dass er schwieg, so wie die Kartäuser schweigen. Und dass er sehr diskret mit seiner Kamera den Mönchen beim Schweigen zusah.
Und womöglich wird in diesem Film noch deutlicher als in den anderen Gröning-Filmen sichtbar, weshalb die Vorbehalte im Wesentlichen auf Ignoranz beruhen: Weil Gröning nämlich, einerseits, die Filmgeschichte kennt und weiß, was heute der Stand der Dinge, der Bilder und der Töne ist. Weil er aber andererseits das Talent hat, so auf die Menschen und die Dinge zu schauen, als ob die bewegten Bilder gerade erst erfunden worden wäre. Ein Mönch geht durchs Kloster, und es ist ein Wunder, dass man ihm dabei zusehen kann. Die Männer schweigen, und der Film schweigt: So wird man als Zuschauer hineingezogen. So schweigt und meditiert man mit. Und kann auf alles, was Plot und Dialog wäre, gut verzichten. Und wenn zum Höhepunkt des Films all die Mönche sich im Schnee vergnügen, ist auch das Vergnügen des Schauens grenzenlos. In Frankreich war dieser Film ein Hit, überall sonst, wo er im Kino lief, immerhin Grönings größter Erfolg.
Gröning kann auch ganz anders. Er kann schnell, laut, unruhig und überdreht – und trotzdem glaubt man, denselben Ethos zu spüren, zum Beispiel in „L’Amour, L’Argent, L’Amour“, diesem Roadmovie und Liebesfilm, diesem Film der Autofahrten der Nachtlichter und Überblendungen, der sich gewissermaßen selbst beim Laut- und Unruhigsein zusieht und zuhört. Und dessen schönste Momente doch die sind, in denen Sabine Timoteo und Florian Stetter - die junge Hure und der Hilfsarbeiter, die sich grundlos und ohne eine Perspektive verliebt haben und dann einfach losgefahren sind, irgendwohin - versuchen, einander etwas mitzuteilen, mit Worten oder Berührungen.
Es wird ein Drehbuch gegeben haben. Und trotzdem scheint auch das Sehen hier ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang zu sein, weil man keinen Moment lang glaubt, dass die beiden Liebenden an den Fäden hingen, die ein Autor zieht, oder dass sie tun, was ein Plot ihnen vorgezeichnet hat. Sie sind erfundene Figuren, und doch scheinen sie, was nur gar nicht paradox ist, aus ihren eigenen seelischen und körperlichen Bedingungen heraus zu handeln, zu lieben, zu scheitern.
Und nur so kann es passieren, dass eine Handlung so herrlich und so furchterregend aus dem Ruder läuft, wie sie das in dem Film mit dem Titel „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ tut. Sommer, Wärme, in einer Wiese liegt ein Zwillingspärchen und spricht. Sie muss lernen fürs Philosophie-Abitur. Er liest vor, aus den Texten, um die es gehen sol. Viel Heidegger, was hier erstaunlicherweise nicht schwer, nicht angestrengt klingt. Was ist Zeit? Das ist die Frage, während der Film der Zeit beim Vergehen zuschaut. Der Film braucht also Zeit, der Zuschauer braucht sie auch, von den Körpern scheint die Möglichkeit des Inzests auszugehen, Nebenan steht eine Tankstelle, wo sie sich manchmal Getränke holen oder Snacks.
Wo der Wahnsinn herkommt, wird nicht erklärt. Ist es die Lektüre falscher Texte, ist es der Sommer, die Hitze. Sind es die Körper, die wollen, was sie nicht dürfen. Ein Mann muss leiden, einer wird sterben, von der Tankstelle bleiben Trümmer. Kein Sinn weit und breit, es ist, als ob das Leben sich auflehnte gegen den Versuch der Philosophie, einen Sinn zu stiften.
Ja, das Leben – nicht das Drehbuch, nicht der Autor des Films, nicht ein Plan, eine These, ein Konzept. Der Wahnsinn, der Nicht-Sinn ist keine Idee, er entwickelt sich aus den Schauplätzen, den Dingen, den Menschen heraus, welche die Inszenierung nur genau genug betrachten muss. Er droht, überzuspringen von der Leinwand, das ist das Beunruhigende an diesem Film.
In den vergangenen Jahren hat Philip Gröning an der Inversion des Kinos gearbeitet und den Vorgang des Filmens quasi rückwärts laufen lassen: Aus vorgefundenen Bildern hat er, mithilfe einer künstlichen Intelligenz, die Räume rekonstruiert, in denen diese Bilder geschossen wurden. Sichtbar gemacht mit VR-Brille. Man schaute in die Zelte des Oktoberfests, und man sah darin nur, was fotografiert worden war. Es waren Räume, in denen das Nichts schwarze Lücken gelassen hatte.
Man könnte das als Bilder von Ende des Kinos deuten. Man muss aber nicht. Schöner wäre es, wenn Philip Gröning weiter Filme vom Anfang des Sehens macht. Die Werkschau, auf die dieser Artikel hier hinweisen will, hat Grönings 65. Geburtstag im April zum Anlass. Ein Filmregisseur wie er ist in diesem Alter noch längst nicht reif für den Ruhestand.
Claudius Seidl
Publizist und Filmkritiker
Philip Gröning - Regisseur, Medienkünstler, Autor und Produzent
Biografie
Philip Gröning, geboren 1959, gründete bereits 1986 seine eigene Produktionsfirma, während er noch an der HFF in München studierte. Er ist in all seinen Filmen verantwortlich für Produktion, Regie, Drehbuch, Schnitt und bei einigen Produktionen auch für die Kamera. Gröning erregte erstmals 1992 mit seinem Film „Die Terroristen“ Aufmerksamkeit, dessen Fernsehausstrahlung der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl zu verhindern versuchte. Der Film gewann den Leoparden in Bronze in Locarno und lief auf dem Sundance International Film Festival.
Internationale Beachtung fand Gröning auch 2000 für seinen Film „L’amour, L’argent, L’amour“, für den Sabine Timoteo als beste Hauptdarstellerin den Leoparden in Locarno gewann. Seinen bisher größten Erfolg hatte Gröning national und international 2005 mit seiner 162-minütigen Dokumentation „Die große Stille“, welche ein überraschender Publikumserfolg weltweit wurde und u. a. den Special Jury Prize in Sundance, den European Film Award, den Bayerischen Filmpreis, den Deutschen Kamerapreis und den Preis der deutschen Filmkritik gewann sowie für den Deutschen Filmpreis nominiert wurde.
2013 feierte Philip Gröning große Erfolge mit seinem Film „Die Frau des Polizisten“, der den Special Jury Prize im internationalen Wettbewerb der Filmfestspiele Venedig, den Best Actress (Alexandra Finder) in Sevilla und Vilnius sowie den Preis der Deutschen Filmkritik für die beste Kamera gewann. „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ hatte seine Uraufführung im internationalen Wettbewerb der Berlinale 2018, gewann den Best Director Award in den New Visions in Sitges sowie den Explore Zone Award in Gent 2018.
Philip Gröning war Jury-Präsident der Reihe „Orrizonti“ beim Filmfestival in Venedig 2006, Mitglied der internationalen Jury beim Filmfest München im Jahr 2009, Mitglied der internationalen Wettbewerbsjury beim Filmfestival in Venedig 2014 sowie beim Message To Man-Festival in St Petersburg 2014, in Vladivostok und Präsident der Filmschoolfest Jury München 2018. Er ist Mitglied der European Film Academy, der Deutschen Filmakademie und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Von 2001 bis 2017 leitete Philip Gröning die Abteilung „Filmgestaltung 2“ an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er hielt zahlreiche Masterclasses, unter anderem in Zürich, Lugano, Rom, am California Institute of the Arts, in Moskau, an der HFF München und an der DFFB Berlin.
2016/2017: Praxis-Stipendiat an der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom.
2017 bis 2020: auf drei Jahre begrenzte Professur für fiktionale Regie an der IFS Köln.
2018 bis 2019: Gastprofessur für freie Kunst / zeitbasierte Medien an der Münchner Akademie der bildenden Künste. Im Rahmen der Projektklasse Gröning entstanden zwei umfangreiche Ausstellungen zum Themenkreis Künstliche Intelligenz.
Spielfilme:
Sommer (1986) – Produktion, Regie, Drehbuch, Schnitt
Terroristen! (1992) – Produktion, Regie, Drehbuch, Schnitt. Kamera: Spielfilmdebut Anthony Dod Mantle.
L’amour, L’argent, L’amour (2000) - Produktion, Regie, Drehbuch, Kamera (Zusammen mit Sophie Maintigneux), Schnitt
Die Frau des Polizisten (2013) – Produktion, Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt
Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot (2018) – Produktion, Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt
Dokumentarfilme :
Das letzte Bild (1983) - Produktion, Regie
Opfer. Zeugen (1993) - Produktion, Regie, Schnitt. Kamera: Hito Steyerl
Die große Stille (2005) - Produktion, Regie, Kamera, Schnitt
L’amour, l’argent, l’amour
Das NDR Fernsehen zeigt erstmals eine digitalisierte Fassung von „L’amour, l’argent, l’amour“ (2000) am Ostermontag, 1. April, 0.15 Uhr:
Ein Reisefilm, eine Liebesgeschichte. Als sie sich treffen, geht sie auf den Strich, er ist aus dem Job beim Schrott geflogen. Sein Arm ist im Gips. Es ist Winter. Sie lieben sich. Sie fahren los. Ein Film über Kälte von Automaten, die Kälte der Prostitution, die Kälte der Liebe, die Wärme sucht. Eigentlich ein Märchen also: Wie können zwei Kinder im Winter überleben.
Für diesen Film erhielt Gröning den Hessischen Filmpreis als bester Regisseur; Hauptdarstellerin Sabine Timoteo wurde als beste Schauspielerin mit dem Schweizer Filmpreis und dem Bronzenen Leoparden in Locarno ausgezeichnet, Hauptdarsteller Florian Stetter erhielt den Max Ophüls Preis als bester Darsteller.
Besetzung
Marie
Sabine Timoteo
David
Florian Stetter
Imbissmann
Michael Schech
Zuhälter
Dierk Prawdzik
Penner
Gerhard Fries
Einweiser Schrottplatz
Marquard Bohm
Stab
Buch und Regie
Philip Gröning
Buch
Michael Busch
Kamera
Sophie Maintigneux, Max Jonathan Silberstein
Musik
Darlene Hofner, Fred Frith
Presseauszüge
„Von Geld, von der Anstrengung es zu verdienen, und vor allem von den Abhängigkeiten, die es schafft, erzählt auch einer der bewegendsten Filme des diesjährigen Max-Ophüls-Festivals in Saarbrücken, „L´amour, l´argent, l´amour“ des Berliner Filmemachers Philip Gröning, für den Florian Stetter mit dem Preis für den besten Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet wurde. „L´amour, l´argent, l´amour“ ist ein trauriges Poem, das dennoch unendlich viel Trost spendet. Denn nicht nur im Titel kommt die Liebe hier an erster und letzter Stelle. Wenn man dann halb benommen aus dem Kino taumelt, vorbei am Fonds-Café, wo die Kids gebannt auf den Monitoren verfolgen, wie der Wert ihrer Aktiendepots unter dem Einfluss des Neuen Marktes zusammenschmilzt, weiss man wieder, daß es viel Wichtigeres im Leben gibt...“
„Gröning, der 1992 einen Bronzenen Leoparden für „Die Terroristen“ erhielt, erzählt in seinem neuen Film eine von heftigen, einander widersprechenden Gefühlen dominierte Liebesgeschichte der ungewöhnlichen Art, dabei die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit mit schöner Selbstverständlichkeit verwischend.
Das altbekannte Kinomotiv besticht durch die formale Umsetzung: fast ausschliesslich mit einer Handkamera gedreht, traditionelle Erzählmuster verweigernd, in der Spiegelung existenzieller emotionaler Erfahrungen oft bis an die Schmerzgrenze gehend.“
„Die Romanze einer Prostituierten, eines Arbeiters und eines Hundes aus Berlin fesselt. Und die seltsame Geschichte mündet in ein überraschendes Finals. Gröning hat allen Grund, auch in diesem Jahr auf eine Auszeichnung zu hoffen.“
„Sabine Timoteo verleiht der jugendlichen Prostituierten, die mit Hund und dem Freund David auszubrechen versucht, eine unwahrscheinliche Direktheit, Differenziertheit und Lebendigkeit. Ihre Auszeichnung weist auf das Versprechen einer grossen Zukunft hin, das sie mit ihrer kompromisslosen Interpretation gibt.“
„Dieser deutsche Film heftet sich an die Fersen von zwei jungen Leuten und weicht dann keinen Schritt mehr von ihnen. Gröning verfilmt dies Wandern wie eine Drift, und findet damit eine poetische Ader wieder, die durchaus an manche Filme von Wenders erinnert. L'amour L'argent L'amour verweigert sich der Eintönigkeit und den Kompromissen, genau wie seine beiden Hauptpersonen. Gröning filmt die Geschichte mit einer Großzügigkeit, aus der er einen Stil macht. Nebeneinandergesetzte Bilder, Passagen im Zeitraffer, komplexe Tonspur (vor allem mit endlich einmal raffiniert eingesetzten Leerstellen), eine große Bandbreite von Musik, die von Mozart bis zu Velvet Underground reicht.
Es gibt bei diesem Autor eine Lust auf Film, ein Verlangen, die Welt zu umarmen, und er versteht es zu vermitteln.“
„Aber Philip Gröning, der über weite Strecken die Kamera selber geführt hat, nimmt sich nicht allein mit seinen zu optischen Spielen, ja zu Augenmusiken gemachten Reisebildern, sondern auch mit seiner knappen, man möchte sagen versartigen Erzählweise das Recht heraus, ein Poet der siebenten Kunst zu sein, einer der die alte Geschichte von der Prostituierten, welche wahre Liebe erfährt und dann doch wieder auf den Strich geht, um sie finanziell am Leben zu erhalten, noch einmal aufnimmt, und ihr seine ganz persönliche Form gibt.“
„Im Film von Philip Gröning begegnen sich David und Maria, sie verlieben sich ineinander und sie setzen diesem überwältigenden Gefühl keinerlei Widerstand entgegen. Ein Gefühl das sie ergreift, und Ihnen das vollkommene Glück schenkt, das sie nie zu erträumen gewagt hätten.
Ein feingesponnenes Märchen, das in der Kälte spielt, unter so eisigen Temperaturen, daß nur die Liebe sie erwärmen kann. Sie sehen sich, haben nicht einmal die Zeit, sich genauer zu betrachten, und es ist sofort Liebe, eine glühende Flamme, die alles erwärmt.
Überzeugend gut konstruiert die beiden Hauptfiguren.“
"L'amour, l'argent, l'amour", der Wettbewerbsbeitrag des deutschen Regisseurs Philip Gröning, ist eine lange Reise auf der Suche nach der Liebe, ohne Kompromisse, rein, total, absolut."
„Der gesamte Wahnsinn der Liebe, der sich in diesem Film findet, spiegelt sich in der extremen Regie Grönings wider, der einem Road-Movie mit herben, zauberhaften Winterlandschaften die Aufgabe anvertraut, das Schicksal dieser beiden Verrückten in die Hand zu nehmen, die halb Deutschland durchqueren bevor sie an den Klippen der Normandie ankommen, um dort am Meer das Morgengrauen abzuwarten.
Ein schönes Roadmovie, einer jener Filme, die von Anfang an mitreißen, gut inszeniert von Gröning, der ab und zu auf die Klassik des Genres zurückgreift, um der Melancholie der Reise und der Zeit der Liebe seiner Protagonisten zu folgen, die oft von einer mit strenger Hand geführten Kamera in ihrem verbalen und physischen Leid eingefangen werden.
Ein Deutschland à la Wenders taucht hier mit dem ganzen Übermaß der Faszination und des Geheimnisses unter dem brisanten Eigengewicht der Bilder wieder auf. Wahrhaftig im Rennen um den Pardo d'Oro.“
“L´amour, l´argent, l´amour“ ist ein deutscher Film mit einem französischem Titel, und in Schubladen passt er auch sonst nicht. Vielleicht ist er am besten beschrieben als ein Road Movie und eine Liebesgeschichte die ineinander gewickelt sind, erzählt im einzigartigen und visuell erfindungsreichem Stil des Regisseurs. David und Maire´s Beziehung entfaltet sich zu einem verschwenderisch reichen Soundtrack der unter anderem berührende Beiträge von Yo La Tengo und Calexico enthält, sowie ein gänsehautiges Trio von Velvet Underground Songs, das die Zerbrechlichkeit des Paares perfekt illustriert.“
„Philip Gröning´s „l´amour, l´argent, l´amour“, ist wie ein Traum voller überwältigend schöner Bilder. Gleichzeitig konkret und flüchtig wird hier die verstörter-Junge-trifft-hartes-Mädchen-und-haut-ab-mit-Hund Geschichte - sozusagen eine Wenders Strassenköterversion - ebenso hellsichtig narrativ wie träumerisch erzählt. Da gibt es godardsche Schnitte und Funken von Carax, aber vor allem Grönings Soundtrack, eine Schatzkiste in Moll von cosmopolitischem Ekklektizismus. Velvet Underground, Can, Calexico und Yo La Tengo untermalen den Film, und die Kamera gleitet über die Autobahnen auf dieser Musik, ungehindert von erzählerischen Zwängen, ein optischer Verführungstanz wie ein Rausch von Fieber und Antihistaminen. Eine Stadtsymphonie die es eilig hat auf die Strasse zu kommen, bietet „ L´amour“ der Lethargie, der Ungeduld und den Rückfällen seiner struppigen jungen Hauptfiguren einen poetischen Halt. Wie ein warmer Regen zergeht der Film auf der Haut, und das Gefühl ist erfrischend.“
„A road movie, a love story, a journey to the sea. By using a structure and editing technique that fragments the voice of the narrative, he has transformed a traditional fairy tale into a poetic odyssey. „L´amour, L´argent, L´amour“ is a film whose ideas and artistry amplify it´s emotional resonance and uniquely examine love in a new age.“
Jurystimmen aus dem Jahr 2000
Mit „L´amour, l´argent, l´amour“ verlässt das „ Deutsche Kino“ seine distanzierte Kälte und dringt in eine Welt von Schicksal und sinnlicher Leidenschaft.
Mit sicherem Gefühl für die stets richtigen schauspielerischen Mittel zwischen Reserviertheit, Impulsivität und physischer Intensität macht Sabine Timoteo die Brüchigkeit ihrer Figur für das Publikum erfahrbar.
Mit seinem intensiven Spiel verkörpert Florian Stetter an der Seite einer starken Partnerin ausdrucksvoll und attraktiv den jungen Träumer David, der trotz aller Widrigkeiten des Lebens sein Ziel nie aufgibt: Das Glück ist möglich - die Liebe auch.
Die weiteren Filme der Werkschau
Der BR hat zwei Filme von Philip Gröning im Programm: „Die große Stille“ (2005) läuft am 27. März um 22.45 Uhr. Dieser außergewöhnliche Dokumentarfilm zeigt ohne Einsatz von Kommentar und Filmmusik das Leben der Mönche in der Grande Chartreuse, dem Mutterkloster des Kartäuserordens. Auch für diesen Film bekam Gröning zahlreiche Preise, darunter den Bayerischen Filmpreis, den Spezialpreis der Jury des Sundance Filmfestival sowie den Europäischen Filmpreis. Am 3. April 2024 sendet der BR zudem Grönings Spielfilm „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ (2018) um 0.15 Uhr.
Der WDR zeigt die Groteske „Die Terroristen!“ aus dem Jahr 1992 am 4. April um 0.55 Uhr. Dieser Film machte damals u. a. Schlagzeilen, da Bundeskanzler Helmut Kohl die Ausstrahlung verhindern wollte. Der Hintergrund: Die drei Hauptfiguren des Films spielen selbsternannte Terroristen, die ein Attentat auf den Kanzler planen. Auf dem Filmfest in Locarno wurde der Film mit dem Bronzenen Leoparden ausgezeichnet. Mit u. a. Stephanie Philipp, Michael Schech, David Baalcke, Peter Cieslinski und Gerhard Fries.
Impressum
Herausgegeben von Presse und Kommunikation / Unternehmenskommunikation
Redaktion:
Iris Bents, NDR, Presse & Kommunikation
NDR/Christian Spielmann (Christian Granderath)
NDR/Tommy Longo (Philip Gröning)
NDR/Gröning Filmproduktion
Mitarbeit:
Nicola Sorgenfrey
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Gestaltung:
Janis Röhlig, NDR, Presse & Kommunikation
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