Hurricane Festival 2019

Drei Tage Sonne, Sounds und Schräges in der Heide

Ahhh Hurricane: Drei Tage Musik, Feiern und verrückte Menschen. Menschen, die in ihren Büros, Hörsälen oder an den Fließbändern ein "Bin mal eben weg" zurücklassen und sich für ein verlängertes Wochenende in ihr ausgelassenstes Ich verwandeln. Mucke statt malochen. Rocken statt rödeln. Party statt pauken. Dazu mal sprühendes, mal klatschendes norddeutsches Schietwetter und Bataillone von Gummistiefeln, die durch ein mangrovenartiges Festivalgelände staksen - et voilà: Abgeschmeckt und fertig ist das perfekte Hurricane-Rezept.

Gilt auch in 2019? Nicht so schnell.

Denn auf dem 23. Hurricane-Festival auf dem Eichenring in Scheeßel ist einiges ziemlich anders. Klar, im Vergleich mit den zaghaften Startversuchen Ende der 90er sowieso: Damals kosteten die Tickets noch schlappe 49 D-Mark und es kamen rund 20.000 Besucher. Heute sind es 68.000, die mehr oder minder konstant seit Jahren in die Heide zwischen Lüneburg und Hamburg pilgern, um ihre Lieblings-Musik-Acts zu sehen. Auch die Ticketpreise sind - sagen wir - angepasst: 189 Euro kostet die günstigste Karte, der Edel-Fan kann aber auch schon mal einen halben Tausender in Scheeßel lassen. Dazu später mehr.

Während einige Künstler aus diesem Jahr auch auf dem ersten Hurricane-Line-Up hätten stehen können - die Foo Fighters, The Cure oder die Toten Hosen zum Beispiel - sind andere Dinge typisch 21. Jahrhundert. Dazu gehören gelbe Säcke für Plastikabfall und alle möglichen Eventualitäten ausschließende Sicherheitswarnungen auf der Hurricane-Website wie: Äxte mitbringen verboten! (Kein Witz, siehe hier:)

Aber die große Überraschung dieses Jahr ist eindeutig das Wetter: Bis zu 28 Grad und Sonne über drei Tage hinweg - selbst der Stamm-Hurricane-Gänger kann sich an solch paradiesische Zustände wahrscheinlich nur noch in seinen feuchten Träumen erinnern. Das kleine Gewitter in der Nacht auf Freitag ist bei den Besuchern jedenfalls schnell vergessen. Genau wie Gummistiefel und Regen-Poncho in der Zeltecke. Auf dem Zeltplatz munkelt man, dass das der sonnigste Hurricane in der Geschichte der Wirbelstürme ist.

Klar: Wenn die Sandalette beim Toiletten-Gang nicht mehr im vermatschten Untergrund stecken bleibt, erleichtert das natürlich das Leben beim Camping ungemein.

Zeltstadt, Festival im Festival, pulsierender Ausläufer des Hurricane: Das Leben auf dem Zeltplatz ist ein eigener Mikrokosmos. Einer, den einige Besucher auf ganz spezielle Art und Weise gestalten...

Es geht aber auch richtig edel: Willkommen im Hurricane Resort!
Was wie ein Luxus-Hotel in der Karibik klingt, ist tatsächlich die luxuriöseste Art und Weise, das Hurricane Festival zu erleben. Ansonsten ist der Vergleich zum Hotel gar nicht so schlecht: Eine eigene Rezeption gibt es hier schließlich auch, genauso einen Beachvolleyball-Platz und einen Pool.

An dem chillen auch Stefan, Matthias und Lars richtig gerne - schließlich kann so ein Tag beim Hurricane ja auch gehörig in die Knochen gehen. "Wir sind alle deutlich über die 40", sagt Stefan. Ursprünglich wollten sie im Wohnwagen zum Hurricane. Als sie aber vom Resort mitsamt "Glamping" - also Luxus-Camping - gehört haben, waren sie gleich begeistert. "Mit den anderen Horden und ihrem Lärm auf dem Zeltplatz - das haben wir vor 20 Jahren noch gemacht. Heute wäre das aber nicht mehr drin", ist Stefan sicher.

Ein weiterer Pluspunkt für die drei Festival-Freunde: Ihr geräumiges Zelt stand bei Ankunft bereits einzugsbereit da - samt Federmatratze. Ein paar Gegenstände aus der Zivilisation haben sie noch mitgebracht, wie Tiefkühltruhen für das Bier oder einen Reise-Kleiderschrank samt Spiegel. Und noch eine Annehmlichkeit zaubert den Dreien ein Grinsen aufs Gesicht: Überall gut erreichbar auf dem Resort gibt es wassergespülte und stets blank geputzte Toiletten. "Eine Wohltat", wie Stefan findet.

Viele Zelte bieten adrettes Design, das mit hölzernen Terrassen und Lampions an ein Beach-Resort auf Bali erinnert. Dazu liegt das Wirbelsturm-Luxuscamp direkt am Waldrand - was für zusätzlich idyllische Atmosphäre sorgt. Rund 500 Euro pro Person für das Resort-Ticket? Das legen viele hier bei so viel Komfort gerne hin.

Ein Edel-Camper, der lieber anoynom bleiben möchte, bringt es auf den Punkt: "Ich schlafe hier sieben Stunden durch wie ein Baby."

Verrückte Menschen in crazy outfits - die gibt es auf dem Hurricane überall. Und zwar nicht nur vor der Bühne, ....

... sondern auch darauf - wie der US-Amerikaner Macklemore beweist.

Apropos: Gerade musikalisch bietet das Hurricane 2019 eine ziemlich breite Palette.

Von Hip Hop, wie von Fünf Sterne Deluxe, ...

... oder Indie-Rock à la Bloc Party, ...

... bis hin zu den ganz derben Gitarrenriffs der Australier von Parkway Drive.

Den knapp 70.000 Fans jedenfalls gefällt's

Zumal manch Künstler auch noch ziemlich menschlich daherkommt, wie Sänger Bosse beweist, der im GIF-Quiz seine eigenen Songs erraten soll...

Und dann gibt es auch in diesem Jahr eine Newcomer-Band.

HighHeel Sneakers aus Schwerin haben beim Bandwettbewerb School Jam gesiegt und
ein Ticket für's Hurricane 2019 gewonnen. Einmal spielen mit den ganz Großen
- wie sich das wohl anfühlt?

Vom Zelt bis zur Bühne:

Wie groß ist das Hurricane eigentlich?

Ein riesiges Thema, das auch vor einem Musikfestival wie dem Hurricane nicht Halt macht: Umwelt und vor allem Plastikmüll. Schließlich verursacht die Drei-Tage-Veranstaltung in jedem Jahr mehrere hundert Tonnen Abfall - egal ob Bierdosen, Plastikflaschen oder verwaiste Isomatten.

Die Veranstalter gehen dabei einen Schritt voran und haben rund 70 Prozent der Plastikflaschen aus den Bereichen hinter den Bühnen verbannt. Musiker und Crews löschen ihren Durst nach dem Schwitzen jetzt vor allem aus Papp-Bechern, was - welch' Überraschung - irgendwie auch zu gehen scheint.

Für die Festival-Camper gibt es in diesem Jahr erstmals zusätzlich zu den bisherigen Müllsäcken auch extra gelbe Säcke für Kunststoffabfall. Aber leben die Fans auch den Anti-Plastik-Lifestyle? Melissa und ihre Freunde jedenfalls haben nicht nur auf Plastikflaschen verzichtet und trinken ihr Wasser aus großen, wiederverwendbaren Kanistern. Sie haben sogar Zelte und Luftmatratzen vor der Abfahrt aus ihren Kunststoff-Verpackungen befreit. "Eigentlich kann das jeder so machen", findet Melissa. Andere Besucher nutzen ihre Plastik-Flaschen einfach mehrmals (Glasflaschen sind vor den Bühnen verboten) und sind zusätzlich von Wegwerf-Geschirr auf Becher, Teller und Gabeln aus Metall umgestiegen. Der Extra-Gang zum Camping-Wasserhahn? Den nimmt man dann schon mal in Kauf.

Dabei ist der bewusste Umgang mit Müll kein völliges Neuland auf dem Hurricane: Mehrere Hilfsorganisationen engagieren sich seit Jahren in Sachen Abfall-Vermeidung: "Viva Con Agua" sammelt Wasserbecher und spendet das Pfand an Wasser-Projekte in der Dritten Welt. "Hanseatic Help" gibt benutzte Zelte oder Schlafsäcke an Obdachlose weiter und die "Beeke Löwen" verkaufen wiederaufbereitetes Camping-Zubehör aus dem letzten Festival-Jahr an die Fans - der Erlös geht an das Kinderhospiz "Kleine Löwen".

Aber auch manch Festival-Fan übt sich in kreativem "Upcycling" und nutzt Kronkorken oder leere Bierdosen zum Schmücken von Zelten oder Outfits.

Es geht grüner zu auf diesem Hurricane. Auch wenn die mit Bananenschalen und Bierdosen übersäten Zeltplätze auch hier noch nicht völlig der Vergangenheit angehören. Die Richtung stimmt jedenfalls. Denn schließlich bedeutet das: Länger etwas vom Planeten haben und länger Festivals genießen!

Und wie geht's weiter?

Auch 2020 wird es ein Hurricane Festival geben. Ein erster Headliner steht auch schon fest:
Die Band Seeed.

Hoffentlich klappt es dazu passend auch wieder mit dem Sommer-Wetter ...