Der talentierte Mr. Vossen
Jagd auf einen Millionenbetrüger

Staffel 2 ab dem 16. Oktober in der ARD Audiothek
Am 20. und 27. Oktober im Radio auf NDR Info

Sechs Jahre nach der letzten Folge des erfolgreichen NDR Info Podcasts „Der talentierte Mr. Vossen“ beschäftigt sich NDR Info Redakteur Christoph Heinzle wieder mit der Geschichte des deutschen Millionenbetrügers. Gemeinsam mit der Schweizer Investigativjournalistin Simone Rau versucht er erneut, Kontakt zu Felix Vossen aufzunehmen. Christoph Heinzle lässt die Geschichte des Betruges noch einmal Revue passieren. Mit der Redaktion beschließt er, sie in neuen Folgen weiterzuerzählen. Wie ist es Vossen im Gefängnis ergangen und was macht er heute? Wie geht es seinen Opfern? Unerwartet erbringen die Recherchen eine weitere Betrugsstory...

„Ich wusste, diese Geschichte muss man erzählen“

NDR Info Redakteur Christoph Heinzle über seine langjährigen Recherchen im Fall Felix Vossen

Der talentierte Mr. Vossen, also Felix Vossen, beschäftigt Sie bereits seit fast einem Jahrzehnt. Ihre Recherchen zu dem abenteuerlichen Fall umfassen mittlerweile neun Podcast-Folgen, vier neue kommen jetzt hinzu. Wie sind Sie ursprünglich auf das Thema gestoßen?
Über den Hamburger Filmproduzenten Michael Eckelt, der mit Felix Vossen den britischen Thriller „I, Anna“ produziert hat. Ich traf ihn 2015 – und er gab mir einen Artikel aus dem Londoner Telegraph, der die Geschichte des Millionenbetrugs von Felix Vossen aufrollte. Damals war Felix Vossen auf der Flucht. Als ich den Artikel las, wusste ich gleich, diese Geschichte muss man erzählen. Zumal Felix Vossen in Deutschland noch nicht so viele Schlagzeilen gemacht hatte, obwohl er ja ein Sprössling einer bekannten Unternehmerfamilie aus Gütersloh war.

Was war der erste Schritt Ihrer Recherchen?
In diesem Fall gab es eine große Gruppe von Menschen, die Felix Vossen um viel Geld, teilweise Millionen, betrogen hatte, darunter auch sehr enge Freunde auch von ihm. Ich habe daher zunächst einmal den Kontakt zu den Opfern gesucht, sie besucht und mit ihnen gesprochen, um so – wie bei einem Puzzle – Stück für Stück die Geschichte zusammensetzen zu können.

Und was war mit Felix Vossen?
Das war der schwierigste Part. Als ich 2015 mit meinen Recherchen begann, war er ja auf der Flucht. 2016 wurde er schließlich in Valencia verhaftet und an die Schweiz ausgeliefert. Dort wurde ihm dann der Prozess gemacht – zur Gerichtverhandlung, die öffentlich war, bin ich dann natürlich gefahren. Das war für mich das erste Mal, ihn persönlich zu erleben. Ich habe seither immer wieder versucht, über verschiedene Menschen, die mit ihm professionell und privat zu tun hatten, Kontakt aufzunehmen. Einem Interview im Gefängnis hatte er über seinen Anwalt auch bereits zugestimmt. Aber es kam nie zustande.

Wenn man so lange an einer Geschichte recherchiert, dreht sie sich im Kopf weiter?
Nach dem Prozess und dem Urteil Ende 2017 war für mich der Fall und damit die Recherche erst einmal abgeschlossen. Auch, weil zu dem Zeitpunkt klar war, dass es mit dem versprochenen Interview nichts wird.

 

Felix Vossen saß im Gefängnis, er war zu sechs Jahren verurteilt worden. Ich habe nur noch einmal in der Zeit mit einer Schweizer Kollegin versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Da kam aber nichts mehr. Und ich zog einen Schlussstrich.

… bis vergangenes Jahr …
Da kamen gleich zwei Dinge auf einmal zusammen: Die erwähnte Schweizer Kollegin erzählte die Vossen-Geschichte im Podcast ihrer damaligen Zeitung, dem Schweizer Tagesanzeiger. Und dann schrieb mir relativ zeitgleich eine Hörerin und fragte, was jetzt eigentlich aus Herrn Vossen geworden sei, er müsse ja mittlerweile aus dem Gefängnis entlassen worden sein. Da entstand bei mir die Idee, die Geschichte rund um Felix Vossen zu Ende zu erzählen: Wie erging es ihm im Gefängnis? Wie geht es den Opfern heute? Was macht er heute, wenn man das überhaupt herausfindet? Das war das Vorhaben – entstanden sind daraus vier neue Podcast-Folgen.

Wie geht es den Opfern heute?
Ich glaube nicht, dass man von denen, die ich gesprochen habe, sagen kann, dass sie völligen Abstand gewonnen hätten. Manche beschäftigt der Verlust des Geldes und die damit verbundenen Folgen, nämlich, dass sie in deutlich schlechteren Verhältnissen leben, als sie es erhofft und erwartet hatten. Alle beschäftigt die Tatsache, dass jemand sie betrogen hat, der ihnen so nahe stand. Für viele ist der Betrug ein Albtraum, der sie immer mal wieder aufschrecken lässt.

Und Mr. Vossen ist abgetaucht?
Von der Spurensuche erzähle ich in den neuen Podcast-Folgen. Aber, es ist Bewegung in dieser erneuten Recherche: Eines seiner Opfer entpuppt sich selbst als Betrügerin …

Es bleibt also spannend – noch eine Frage: Von wem ist die Schlussmusik, die den Podcast „Der talentierte Mr. Vossen“ seit der ersten Folge begleitet?
„The Lion Of Scandinavia“ von Thomas Wydler, dem Schweizer Schlagzeuger von Nick Cave and the Bad Seeds. Ein schöner und sehr passender Fund von unserem Regisseur Nikolai von Koslowski, zu dem es immer wieder Nachfragen des Podcastpublikums gibt.

Die Folgen

Folge 1: Im Gefängnis

Felix Vossen wurde schuldig gesprochen und verbüßt seine Strafe in Pöschwies, der größten Justizvollzugsanstalt der Schweiz. Der Millionenbetrüger verhält sich vorbildlich, offensichtlich mit dem Ziel, nicht mehr als die Mindeststrafe absitzen zu müssen. Vossen bekommt regelmäßig Besuch. Von Opfern, ehemaligen Freunden, die teilweise nur neugierig sind, teilweise aber auch versuchen, zusätzliche Informationen zu bekommen. Ihre Hoffnung: doch noch Restgelder zu finden oder zumindest Anhaltspunkte, um gegen Vossens Banken vorgehen zu können. Felix Vossen empfängt aber auch Journalisten. Den Briten Michael Harrison, der sich viele Fragen für sein Buch „Mr. Charming“ beantworten lässt und die Schweizerin Simone Rau vom Tages-Anzeiger, die ein Kennenlerngespräch führt. Kommt das versprochene Interview von ihr zusammen mit Christoph Heinzle nach Vossens Zusage endlich zustande? Was führt er im Schilde, hat er tatsächlich die Absicht, den Opfern zu helfen? Und was fasziniert Außenstehende so an seiner Geschichte? Inzwischen gibt es in Deutschland, der Schweiz und Großbritannien TV-Dokus, Podcastfolgen, ein Buch und sogar ein Theaterstück.

Folge 2: Auf freiem Fuß

Felix Vossen hat es geschafft. Anfang 2020 kommt er vorzeitig frei. Wohin geht er nach dem Gefängnis? Zurück nach London, in seine Heimat Deutschland oder in ein ganz anderes Land? Christoph Heinzle begibt sich wieder auf Spurensuche, versucht ihn zu erreichen und doch noch für ein Interview zu treffen. In Spanien, findet er heraus, wurde Vossen wegen Urkundenfälschung ein weiterer Prozess gemacht. Vossens Opfer haben inzwischen jede Hoffnung aufgegeben, etwas von dem unterschlagenen Geld wiederzufinden. Sie fragen sich, wie die Banken so einfach davonkommen konnten. Und sie sind bis heute verbittert. Warum müssen sich die Schweizer Kreditinstitute, Anwälte und Treuhänder nicht für mangelhafte Kontrollen verantworten? Expertinnen erklären auch, ob ein solcher Betrug heute wieder vorkommen könnte oder sich die Rechtslage vor allem in der Schweiz geändert hat. Für die Opfer bleibt neben dem finanziellen Schaden der Verlust des Vertrauens in die eigene Menschenkenntnis. Sie versuchen, Felix Vossen zu vergessen, doch es gelingt ihnen nicht. Für viele bleibt der Betrug ein Alptraum, der sie immer wieder aufschreckt.

Folge 3: Die betrogene Betrügerin

Felix Vossen bleibt verschwunden. Niemand hat von ihm gehört. Ein ehemaliger Lehrer hatte ihm Hilfe nach der Entlassung angeboten, doch der Ex-Häftling meldet sich nicht. Christoph Heinzle versucht es zum 50. Geburtstag erneut mit einer Mail. Die letzten Interviews für die neuen Podcast-Folgen in Großbritannien und in der Schweiz werden terminiert. Dabei sucht der Journalist auch Kontakt zu Madhu G. in New York. Vossen schuldet ihr bzw. ihrer Mutter laut dem Zürcher Urteil 1,8 Millionen Dollar. Doch Christophs Recherchen zeigen überraschend: Madhu G. ist selbst eine Betrügerin, hat ihren langjährigen Partner um Millionen gebracht. Ganz ähnlich wie Vossen mit riskanten Geldanlagen, Lügen und gefälschten Papieren. Sogar die Ehe war Fake, Madhu G. noch mit einem anderen Mann verheiratet. Gegen sie laufen mehrere Prozesse in New York.
Die anderen Vossen-Opfer sind entsetzt. Denn sie hatten Madhu 2015 nach der Flucht des Betrügers in ihren Kreis aufgenommen und Informationen zur Verfolgung Vossens geteilt. Sie fragen sich jetzt: war alles echt an Madhu G.? War sie wirklich (nur) Opfer und Geliebte des Deutschen?

Folge 4: Zwei von einem Schlag

Christophs Recherchen führen ihn nicht nur nach Zürich und London. Er spricht mit Beteiligten in New York und ein altbekannter ARD-Producer in Neu Delhi recherchiert für ihn in Indien – über Madhu G.s Familie und ihre Geschäfte. Warum und in wessen Auftrag hat sie Millionensummen transferiert? Welche Rolle spielt ihr indischer Ehemann, ein Diamantenhändler? Der Verdacht von Geldwäsche kommt auf. Und welche Rolle spielte Madhu im Fall Vossen? Ihre Mails an die anderen Vossen-Opfer 2015 zeigen, wie aktiv sie in der Gruppe war – als angebliches Opfer und langjährige Geliebte. Doch war sie mehr? Felix Vossen machte im Gefängnis seltsame Andeutungen. Und laut Augenzeugenberichten hat Felix Vossen immer wieder Madhu G. in ihrem New Yorker Appartement besucht. Auch noch nach seinem Verschwinden im März 2015?

Interview mit Russell Hicks

langjähriger Freund Vossens und Betrogener

Russell Hicks, langjähriger Freund Vossens und Betrogener

Russell Hicks, langjähriger Freund Vossens und Betrogener

Sie waren bei der Verhandlung in Zürich, und Felix Vossen hat damals viel geweint und sich entschuldigt. Haben Sie ihm geglaubt?
Russell Hicks: Nein. Nein, natürlich nicht. Und ich habe dem Gericht gesagt: Fallen Sie nicht auf seine Krokodilstränen rein. Sie wissen schon. Was er getan hat, ist schrecklich. Er hat viele Leute völlig mittellos und bankrott gemacht. Also bitte nicht auf die Schauspielerei und die Tränen reinfallen.

Glauben Sie, dass Sie und die anderen Opfer etwas von ihrem Geld sehen werden?
Russell Hicks: Sehr, sehr unwahrscheinlich. Die Schweizer Staatsanwaltschaft hat uns gesagt, dass sie monatelang alle seine vielen, vielen, vielen Konten durchsucht haben. Sie haben uns gesagt, dass es leider keinen Topf voll Gold am Ende des Regenbogens zu geben scheint.

Sind Sie optimistisch, dass die Schweizer Banken zur Verantwortung gezogen werden? Dass sie zumindest teilweise verantwortlich sind für das, was Felix Vossen getan hat?
Russell Hicks: Ich fürchte nicht. Ich denke, die Schweizer Banken haben ihre Hände schon vor langer Zeit in Unschuld gewaschen. Sie haben wirklich lange Zeit die Position vertreten, dass sie einfach nur Bankgeschäfte anbieten. Und es stehe ihnen nicht zu, über die Moral ihrer Kunden zu urteilen.

Es gab einige neue Entwicklungen oder zumindest neue Informationen über die Geschichte um Felix Vossen, einschließlich eines weiteren Betrügers unter den Opfern. Denken Sie, dass diese Geschichte vorbei ist?
Russell Hicks: Nun, sie kommt immer wieder hoch, und er produziert immer wieder neue außergewöhnliche Geschichten. Eines der mutmaßlichen Opfer, auf das wir sehr früh nach dem Verschwinden von Felix aufmerksam geworden sind: Es stellt sich heraus, dass auch sie eine Betrügerin war und heute, im Jahr 2024, in New York mit dem Gesetz in Konflikt gerät, was eine außergewöhnliche Entwicklung ist.

Wie finden Sie das?
Russell Hicks: Nun, wir hatten einen Verdacht, als sie 2015 auf uns zukam und uns anbot, einen Teil unseres Geldes zu verwalten. Nicht, dass wir viel übrig gehabt hätten. Und das hat uns sofort extrem misstrauisch gemacht. Und wir fanden das lächerlich. Also haben wir sehr schnell gelernt, dass wir offensichtlich niemandem trauen sollten, aber das war ein absurder Vorschlag.

Christoph Heinzle sprach im Mai 2024 mit Russell Hicks in dessen Haus im englischen Woldringham, nachdem er Hicks seit 2015 ein halbes Dutzend Mal für den Podcast getroffen hatte.

Impressum

Herausgegeben von Presse und Kommunikation / Unternehmenskommunikation

Redaktion:
Bettina Brinker, NDR/Presse und Kommunikation

Interviews:
Bettina Brinker (Christoph Heinzle)
Christoph Heinzle (Russel Hicks)

Gestaltung:
Janis Röhlig, NDR/Presse und Kommunikation

Bildnachweis:
NDR/Janis Röhlig
NDR/privat
JuWe/Kanton Zürich

Fotos:
www.ard-foto.de

Pressekontakt

Presse und Kommunikation / Unternehmenskommunikation

E-Mail:
presse@ndr.de

Website:
www.ndr.de/presse