Tatort:
Borowski und das hungrige Herz
AM 12. JANUAR, 20.15 UHR, IM ERSTEN
DANACH IN DER ARD MEDIATHEK
INHALT
In einem Mietshaus in Kiel finden Klaus Borowski und seine Kollegin Mila Sahin die 40-jährige Versicherungsangestellte Andrea Gonzor erschossen auf ihrem Bett. Andrea Gonzor hatte an diesem Abend offenbar zu einer Erotikparty eingeladen - zahlreiche Spermaspuren im Umfeld der Toten verweisen darauf, dass das Opfer mehrere Sexualpartner hatte in dieser Nacht. In ihrem Blut finden sich Spuren von Alkohol und Beruhigungsmitteln, aber es gibt keine Hinweise auf eine Sexualstraftat.
Borowski und Sahin tauchen ein in die Welt der Sex- und Liebessüchtigen. Der einzige Schlüssel zur Aufklärung scheint Andreas Freundin Nele zu sein. Sie hat die Tote entdeckt.
Stab & Besetzung
BESETZUNG
Klaus Borowski
Axel Milberg
Mila Sahin
Almila Bagriacik
Nele Krüger
Laura Balzer
Barbara Döring
Lina Wendel
Roland Schladitz
Thomas Kügel
Dr. Kroll
Anja Antonovicz
Peter Döring
Martin Umbach
Dr. Jan Lottmann
Peter Sikorski
u. v. m.
STAB
Regie
Maria Solrun
Buch
Katrin Bühlig
Kamera
Birgit Guðjónsdóttir
Schnitt
Uta Schmidt
Kostümbild
Karin Lohr
Maskenbild
Lena Brendle, Ulla Röling
Casting
Marion Haack
Szenenbild
Andreas Lupp
Ton
Corinna Zink
Musik
Haraldur Thrastarson
Produktionsleitung
Sabine Schild (Nordfilm GmbH) und Daniel Buresch (NDR)
Herstellungsleitung
Jörg Pawlik
Produzentin
Kerstin Ramcke
Produzentin
Sabine Timmermann
Redaktion
Sabine Holtgreve
Drehzeit
21.09.2021 – 21.10.2021
Länge
88:38 Minuten
Drehorte
Kiel, Hamburg und Umgebung
Der „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“ ist eine Produktion der Nordfilm GmbH im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks für Das Erste.
Podcast
Der NDR „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“ auch als Audio-Podcast in der
ARD Audiothek!
Begleitend zum Krimi gibt es die neue „Tatort“-Folge auch als Hörfassung – z. B. für unterwegs. Mit den Original-Stimmen aller Schauspielerinnen und Schauspieler sowie einer Erzählstimme, die durch die Handlung der Geschichte führt, wird aus dem Fernsehkrimi auch ein Hörgenuss. Die 90-minutige Hörfilmfassung steht begleitend zur Erstausstrahlung im Fernsehen ab dem 12. Januar 2025 in der ARD Audiothek zum Streaming und Download bereit.
Statements & Gespräche
„Nur so als suchender Mensch entwickelt sich Vertrauen zu anderen“
Gespräch mit Axel Milberg
Eigentlich ist Klaus Borowski nichts Menschliches fremd, aber wenn es – wie in diesem Fall – um Sex geht, ist er eher traditionell eingestellt. Zum Beispiel stellt das Fachvokabular der Swinger-Community eine Herausforderung dar. Zu Ermittlungen bei einem freizügigen Parkplatztreff schickt er dann auch lieber Mila Sahin. Zu weit möchte er sich nicht aus seiner Komfortzone wagen. Das lässt sich allerdings schwierig durchhalten, denn das Mordopfer ist Andrea Gonzor, eine rückfällige Sexsüchtige mit Spaß an Spielzeug und Gruppenzusammenkünften. Mit seinem Freund und Chef Schladitz beim gemeinsamen Kochabend aus einem Topf zu essen, ist ihm intim genug.
Umso mehr fängt Borowski Feuer, wenn es gilt, sich in komplizierte Seelen hineinzuarbeiten. Nele Krüger hat ihre Freundin Andrea tot aufgefunden und ist nahe am Nervenzusammenbruch. Hier hilft Ruhe, denkt der Profi Borowski und gibt väterlich guten Rat – einatmen, ausatmen. Doch seine Strategie versagt. Wo er Vertrauen schaffen will, weckt er Begehren. Borowski ruft Geister, die er nicht mehr loswird. Er sieht die Verletzlichkeit der alleinerziehenden Mutter und droht zu übersehen, dass sie keine Grenzen kennt.
Das Opfer der aktuellen Folge ist sex- und liebessüchtig – u.a. ein Ausdruck verzweifelter Versuche, verlorenes Selbstwertgefühl wiederzuerlangen. Ist Bestätigung in der heutigen digitalen Welt zur wichtigsten Währung gesellschaftlichen Miteinanders geworden?
Für manche ist das bestimmt so, da ist die Gefährdung bestimmt nicht weit. Die Erlebnisse im Netz führen die Menschen oft von sich weg, während sie aber glauben, sich selbst zu verwirklichen. Wie muss ich sein? Was kann ich alles machen? Angebote ohne Ende. Dennoch: Sich vergleichen hat noch nie jemanden glücklich gemacht.
Auch der Episodenhauptfigur Nele Krüger geht es um Liebe und Bestätigung. Sie versucht, Borowski für sich einzuwickeln. Für Momente scheint er tatsächlich verunsichert – was geht da in ihm vor?
Ja, so scheint es. Borowski als Wissenden, Überlegenen zu zeigen, wollte ich nicht. Wie einfach, wie abstoßend. Nur so als suchender Mensch entwickelt sich Vertrauen zu anderen.
Borowskis Empathie und seine fast Columbo-artige Strategie, sich unterschätzen zu lassen – das geht hier mit Nele Krüger am Ende fast schief. Wie sind diese sehr intensiven Momente mit Laura Balzer und Ihnen entstanden?
Ohne Proben, meine ich mich zu erinnern. Wir haben es laufen lassen. Es war spannend und wunderbar, mit ihr die Szenen zu erleben.
Hinter dieser Empathie spürt man bei Borowski aber immer auch etwas lauern, das jeden Moment durchbrechen könnte, ein trockener Scherz oder gar ein lauter Ausbruch. Wie lässt sich dieser Eindruck von Doppelbödigkeit oder auch Ambivalenz immer wieder herstellen?
Das hat sicher was mit mir selber zu tun. Ich würde es aber nicht „lauern“ nennen. Es ist immer alles möglich, in jedem Moment. Im Spiel, im Leben. Es wäre totes Theater, einen Schauspieler auf eine Schiene zu setzen und der Rolle eine Überschrift zu verpassen und dann das zu bebildern. Lebendigkeit ist schöner. Aber nicht beliebig.
Auch diese Folge weist wieder eine subtile Form von Humor auf, die gar nicht mal zwingend aus einer Punchline resultiert, sondern eher aus den Figuren kommt. Wie wichtig ist Ihnen Witz in der Ausgestaltung von Borowski?
Das passiert, es ist eine Haltung zum Leben. Der ernste Beruf, die furchtbaren Verbrechen, da entsteht Humor. Ein Moment, in dem Witz, aber auch Aberwitz einen überfällt.
Über 43 Folgen hinweg hat sich die Figur von Borowski stark entwickelt. Ist es das Ziel, diese Biografie in jeder Szene auch immer durchscheinen zu lassen? Wie gelingt das?
Vereinfachen, Freundlichkeit, Respekt dem Team gegenüber. Der „lonely wolf“ ist doch sehr altmodisch.
Borowskis beschriebene Unsicherheit gegenüber Nele Krüger zum Beispiel – spielt da nicht auch die dysfunktionale Beziehung zu seiner eigenen Tochter hinein?
Nein, die Tochter war nicht mehr in den Köpfen der Autoren, schon seit vielen Jahren nicht mehr. Sie lebt wohl in Kanada.
Liebe, Sehnsucht, Körperlichkeit – auch Mila Sahin sehen wir in dieser Folge damit konfrontiert. Borowski hingegen trifft sich in einer rührenden Szene abends zum Gulasch mit seinem alten Freund und Kollegen Schladitz. Nach der gescheiterten Beziehung zu Frieda Jung – was glauben Sie, wie hält es Borowski mit der Liebe?
Er ist sehr sinnlich und sehr offen für alles, was da noch kommt! Er hat ja ’ne Menge zu erzählen und kann sehr charmant sein.
„Bei solch einer Power, wie sie in Sahin bebt, interessieren mich die Schwachstellen der Persönlichkeit besonders“
Gespräch mit Almila Bagriacik
Es freut Mila Sahin, dass sie bei diesem Fall Borowski mindestens eine Nasenlänge voraus ist. Während er bei einem Sexspielzeug mit Namensgravur von großer Liebe faselt, die da im Spiel sein müsse, korrigiert sie ihn: eher große Geilheit. Überhaupt sind ihre Berührungsängste gering, im Gegenteil verbindet sie spielerisch ein Date mit einigermaßen verdeckten Ermittlungen im Swingermilieu. Vor vier Jahren hat sie Juri das letzte Mal gesehen, jetzt hat er sich wieder gemeldet. Es macht ihr Spaß zu beobachten, wie er reagiert, als er sich mit ihr auf einem Sexparkplatz wiederfindet – aber eben rein dienstlich.
Ihre Souveränität bezieht Mila Sahin auch aus ihrer Unabhängigkeit. Ironische Distanz lässt sich leicht bewahren, wenn man nicht emotional involviert ist. Solange der Geist aus der Vergangenheit ein flüchtiger ist, darf an ihm auch ein Körper hängen, mit dem sie Spaß haben kann. Wenn dieser Körper aber auf einmal Zukunftspläne schmiedet, wird es eng. Normalerweise ist sie die Jägerin, vor der man flieht. Jetzt ist es umgekehrt.
Im Film geht es um die Hypersexualität zweier Frauen. An einer Stelle heißt es: „Männer, die viel Sex haben, sind echte Kerle. Aber Frauen sind immer noch Schlampen.“ Ein krasses patriarchales Framing – können Sie Ansätze erkennen, dass sich unsere Gesellschaft aus solchen Zuschreibungen herausbewegt?
Ich glaube schon, dass ein Ansatz der Befreiung von solchen patriarchalen Strukturen, die uns alle betreffen, vorhanden ist und immer mehr Menschen einander darauf aufmerksam machen, wenn wir in diese Strukturen zurückfallen. Jedoch glaube ich auch, dass noch viel Luft nach oben ist und wir uns den Kern der Problematik genauer anschauen müssen, warum Männer für manche Dinge gefeiert und Frauen für das gleiche Verhalten im besten Fall missachtet werden. Ich denke, dass der Kern in der Haltung und Perspektive liegt, und diese kann man mit Hilfe von Filmen sehr gut wechseln und verinnerlichen.
Im Zuge der Ermittlungen erhält Sahin Einblicke in die sehr eigene Welt von Sexpartys und findet auf einem Parkplatz ein bizarres Setting bei Starkregen. Wie war es, diese Szenen zu drehen?
Es war eine gute Abwechslung für mich, aber auch für Sahin, inkognito zu ermitteln. Ich finde das grundsätzlich immer spannend, wenn ErmittlerInnen nicht als Kommissare auftreten. Und Sahin nahm das Ganze mit Humor.
Mila Sahin bewegt sich in diesen Szenen mit einer herrlichen Süffisanz. Wie steht sie diesem Milieu gegenüber?
Sahin bewertet nicht viel, um der Aufklärung des Mordfalls zu dienen. Aber natürlich gelingt ihr das nicht immer. Aber in diesem Fall fällt es ihr nicht besonders schwer.
In dieser Folge trifft Mila Sahin mit Juri Rodinski jemanden wieder, mit dem sie eine private Vergangenheit teilt. Wer ist dieser Juri, und was löst das in Mila aus?
Juri Rodinski ist ein ehemaliger Kollege aus Berlin, mit dem sie in der Vergangenheit eine Affäre hatte. Er war Teil ihrer Motivation, Berlin zu verlassen, weshalb es Sahin auch wieder aus der Bahn wirft, mit ihm Zeit zu verbringen.
In diesen melancholisch wirkenden Szenen zeigt Sahin eine Weichheit, die wir sonst sehr selten sehen. Wie war das für Sie, diese Facette der Figur weiterzuentwickeln?
Ich war sehr dankbar für diese Backstory, die Sahin aus der Vergangenheit einholt. Denn natürlich sehe ich deutlich mehr Facetten in Sahin, als es ein Film erlaubt zu zeigen. Doch manchmal kommt es vor, dass man die Gelegenheit bekommt und diese durch natürliche Ereignisse erzeugt sein muss, so dass es sehr kostbar ist, da sofort einzusteigen und „all in“ zu gehen. Bei solch einer Power, wie sie in Sahin bebt, interessieren mich die Schwachstellen der Persönlichkeit besonders.
Doch auch die Boxerin in Sahin kommt wieder zur Geltung: Milas Faust darf am Ende eine schön trockene Pointe setzen. Wieviel Spaß macht es, diese Gegensätzlichkeit zum ruhigeren, psychologisierenden Borowski zu spielen?
Ich liebe es, im Spiel in die Körperlichkeit zu gehen. Ich denke nicht, dass Gewalt eine Lösung ist, aber Sahin ist da eher pragmatisch unterwegs und handelt oft mit dem Fokus auf das Ergebnis, ohne sich in möglichen Theorien zu verlieren. Das muss nicht unbedingt als Gegensatz zu Borowski gedeutet werden, sondern eher als Ergänzung. Der Moment hat eine starke Wirkung, doch dieses Verhalten kann ihr auch zum Verhängnis werden.
„Das Besondere an diesem Projekt war der Fokus auf vier Frauenfiguren“
Gespräch mit Regisseurin Maria Solrun
Was macht für Sie den Kern des Films aus?
Der Film behandelt die Frage, wie Frauen mit Liebe und Sexualität umgehen, und erzählt dabei vier Perspektiven auf das Thema. Ich finde es von der Autorin Katrin Bühlig wirklich mutig, dass sie sich auf Sex- und Liebessucht von Frauen konzentriert hat, was lange ein Tabuthema war. Ich hatte mich mit dem Thema ebenfalls bereits auseinandergesetzt und kenne betroffene Frauen. Die Episodenhauptfigur Nele sagt es an einer Stelle: „Männer, die viel Sex haben, sind echte Kerle – aber Frauen sind immer noch Schlampen.“ Dieses Bild herrscht heute immer noch vor. Aber es ist sehr viel in Bewegung, Frauen melden sich überall in der Gesellschaft zu Wort. Ich halte es für wichtig, dass mehr Filme von Frauen über Frauen gemacht werden, damit diese Themen endlich erzählt werden und sich damit Perspektiven öffnen, die ich so noch nicht gesehen habe. Das gilt natürlich generell für diversere Perspektiven.
Welche vier Perspektiven erzählt der Film?
Es sind vier Frauen, die unterschiedlich mit dem Wunsch umgehen, geliebt zu werden. Die von Lina Wendel gespielte Barbara Döring hat die Sehnsucht, körperliche Nähe mit ihrem Mann zu erfahren. Sie versucht, romantische Momente herzustellen, aber es endet für sie nicht wie erhofft. Dann sind da Nele und Andrea, die sich von der Selbsthilfegruppe der Sex- und Liebessüchtigen kennen. Andrea hat sich damit schon länger auseinandergesetzt und ist Sponsorin, während Nele erst seit kurzem in der Gruppe Hilfe sucht. Bei beiden ist die Sexualität vor allem ein Weg, um Liebe zu bekommen. Und schließlich Mila Sahin: Juri Rodinski besucht sie aus der Vergangenheit und damit jener Mann, der eigentlich die Ursache für Milas einstigen Aufbruch nach Kiel war. Juri folgt ihr nun, und für einen Moment ist dieses Gefühl, geliebt zu werden, auch schön, aber Mila hat Angst.
Dieser Sextreff auf dem Parkplatz ist eine starke Szene, in der auch Mila Sahin gerade Juri gegenüber auftrumpfen kann. Wie kamen Sie hier auf das sehr belebende Element des starken Regens?
Ich liebe Regen, und ich liebe Regen im Film, weil es so was Elementares mit reinbringt – als wär’s ein neuer Schauspieler. Vielleicht liegt’s daran, dass ich aus Island komme, wo Regen und Wetter immer eine Rolle spielen und sich als Naturelemente ins Leben einmischen. Und gerade in dieser Szene hat sich das Licht nicht nur herrlich in den Pfützen gespiegelt, sondern das Wasser hat auch für schöne improvisierte Momente zwischen den Figuren gesorgt und insbesondere Mila coole Bilder beschert neben ihrem etwas wasserscheuen Ex.
Wie sind Sie die Gestaltung der Sexszenen angegangen?
Ich muss sagen, ich persönlich mag eigentlich keine Sexszenen. Ich liebe die Herausforderung als Regisseurin, sie nur anzudeuten, was oft viel wirkungsvoller ist, weil sich der Rest dann im Kopf des Zuschauers abspielt.
Wie haben Sie in diesen Szenen mit den Schauspielenden gearbeitet?
Egal wieviel man sieht oder nicht: Mir ist es sehr wichtig, einen sicheren Raum für die Schauspielerinnen und Schauspieler zu schaffen. Mitgearbeitet daran hat mein Sohn Magnus Mariuson. Er ist Schauspieler und hat im Film eine kleine Rolle, aber er hat mir auch assistiert. Zum Beispiel haben wir gemeinsam kleine Videos gedreht, wie wir uns die Choreografien der Sexszenen vorstellen und dann den Schauspielenden gezeigt. Besonders wirkungsvoll war diese Methode bei der Parkplatz-Szene, in der wir mit Statisten gearbeitet haben. Obwohl klar war, dass außer schemenhafter Bewegung nicht wirklich etwas zu sehen sein würde, waren sie zu Anfang sehr unsicher. Und so haben Magnus und ich, Mutter und Sohn, das vorgespielt, dass es ohne Berührungen geht, nur mit Andeutungen – das hat eine sehr lockere Atmosphäre geschaffen. Im Grunde muss man vor allem auf die Schauspielenden eingehen: Was haben sie für Bedenken, was ist ihnen unangenehm? Einen sicheren Raum zu schaffen ist also vor allem eine Frage von Zusammenarbeit.
Sie betonen immer wieder die Zusammenarbeit – was bedeutet Ihnen das beim Filmemachen?
Etwas in gemeinsamer Arbeit entstehen zu lassen und sich ständig darüber auszutauschen – das finde ich sehr wichtig. Das Besondere an diesem Projekt war wirklich der Fokus auf diese vier Frauenfiguren, auf das, was in ihnen vorgeht, auf ihre Emotionen. Deswegen war es so wertvoll, mit all diesen tollen Frauen in den verschiedenen Gewerken zu arbeiten und ihre Meinungen zu Film und Figuren zu hören – mit der Kamerafrau Birgit Gudjonsdottir, der Autorin Katrin Bühlig, der Editorin Uta Schmidt, der Sounddesignerin Kirsten Kunhardt, dazu natürlich die Schauspielerinnen, die Produzentinnen und Redakteurinnen. Wir hatten sehr intime, berührende Gespräche, die alle auf ihre Art in den Film eingeflossen sind.
Laura Balzer spielt mit Nele Krüger eine dieser komplexen Frauenfiguren und hat großartige Szenen gemeinsam mit Axel Milberg.
Ja, sie ist eine außergewöhnliche Schauspielerin und hat eine tolle Ausstrahlung – vor allem aber schützt sie ihre Figur und lässt sich nicht einschüchtern, auch wenn sie mit erfahrenen Kollegen wie Axel Milberg spielt, der diesen „Tatort“ von allen am Set am häufigsten gedreht und seine Figur über vierzigmal gespielt hat. Sie hat letztlich mit ihrer Figur die gleiche Stärke bewiesen wie Lars Eidinger als Kai Korthals in dessen drei Borowski-Auftritten, nämlich Borowski einen ebenbürtigen Gegner anzubieten. Die Szenen zwischen Laura und Axel haben mir immer Spaß gemacht, auch noch beim hundertsten Mal.
Einer der wenigen Männer in den verantwortlichen Gewerken des Films ist der Komponist Haraldur Thrastarson. Woher kennen Sie ihn?
Es gibt in Berlin eine Art exilisländische Musikmanufaktur mit Hollywood-Standard. Im Zentrum stand der 2018 verstorbene Johann Johannsson, um den sich weitere isländische Komponisten und Musiker versammelt haben, darunter Hildur Gudnadottir, die 2020 für „Joker“ als erste Frau einen Filmmusik-Oscar gewonnen hat. Haraldur Thrastarson entstammt auch dieser legendären Schmiede. Mit ihm habe ich schon bei meinem letzten Film „Adam“ zusammengearbeitet. Er hatte mit meiner Tochter Liina Magnea mal in einer Band zusammengespielt und hat einen ihrer Songs in seine Filmmusik mit eingearbeitet. Diese aufregende Musikebene ist das Ergebnis aus der Zusammenarbeit von Haraldur, Liina, mir und der großartigen Editorin Uta Schmidt.
Am 14.11.2023 verstarb Uta Schmidt. Der „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“ gehört zu ihren letzten Arbeiten. Sie kannten sich bereits seit Ihrem Debütfilm „Jargo“?
Ja, schon damals hat mich dieses Zusammenspiel mit ihr aus Musik, Sounddesign und Bildschnitt tief beeindruckt. Seit dem Moment, an dem ich mit der Autorin Katrin Bühlig an der Endfassung des „Tatort“-Buchs saß, habe ich mir Utas Meinung eingeholt. Beim Schnitt war Uta unfassbar kreativ. Es hat immer viel Spaß gemacht, mit ihr zu arbeiten, gerade auch am Musikschnitt, worin sie wahnsinnig gut war. Uta hatte ein tolles musikalisches Ohr. Wie groß der Einfluss einer Editorin auf die Musikgestaltung und überhaupt auf den Rhythmus eines Films sein kann, wie musikalisch eine Editorin im Grunde sein muss, das habe ich erst durch Uta gelernt. Wir hatten schon unsere nächsten Projekte geplant, und sie fehlt mir jetzt sehr.
„Er hat keine Angst.
Er weicht ihr nicht aus“
Statement von Episodenhauptrolle Laura Balzer zu „Borowski und das hungrige Herz“
Für Nele Krüger ist beides riesengroß, die Sehnsucht und die Einsamkeit. Lange hat sie die Sehnsucht mit Sex zu stillen versucht, bis sie erkannt hat, dass das die Qual nicht mindert. Bei einer Selbsthilfegruppe für Sexsüchtige ist Andrea ihre Sponsorin geworden – und eine Freundin. Aber ihr Leben ist trotzdem kein schönes. Während sie am Strand aus einer Bude heraus Fischbrötchen verkauft, steht neben der Hintertür der Kinderwagen mit ihrer kleinen Tochter – ihre einzige echte Liebe und ihre größte Bürde.
Jetzt ist Andrea tot. Nele hat noch den verschiedenen Teilnehmern von Andreas Gruppensexparty die Tür geöffnet, dann ist sie gegangen und steht nun fast vollkommen allein in der Welt. Aber wie wäre es, wenn sie zur Abwechslung mal den Schmerz nicht mit Alkohol oder noch größerem Schmerz betäuben würde? Wenn sie sich mal auf einen anständigen Mann einließe. Einen wie den Kommissar. Der so nett ist. Der sich um sie kümmert und Mitgefühl zeigt. Für den würde sie sogar frische Petersilie in die Buletten kneten.
Der Tatort „Borowski und das hungrige Herz“ war für mich eine sehr besondere und herausfordernde Arbeit, sowohl thematisch als auch spielerisch.
Die Regisseurin Maria Solrun hat mir die Figur der Nele Krüger geschenkt und es mir ermöglicht, ganz tief in meine Figur einzutauchen. Durch Marias Arbeit und durch den Blick von Birgit Gudjonsdottir sowie das wunderbare Team konnte ich Nele so spielen, wie ich sie gespielt habe. In „Borowski und das hungrige Herz“ geht es um Sex- und Liebessucht und um die Auswirkungen dieser Krankheit, die unter anderem Einsamkeit, selbstverletzendes Verhalten, starke Abhängigkeit zu Menschen und Substanzen sowie das Leben in zerstörerischen Beziehungen beinhaltet.
Es geht um zwei Frauen, die an verschiedenen Punkten ihrer Krankheit stehen. Meine Figur Nele Krüger ist zu Beginn der Geschichte „nüchtern“ und versucht, es zu bleiben. Sie geht zu den Meetings der S.L.A.A. (Sex and Love Addicts Anonymous). Die Anonymen Sex- und Liebessüchtigen orientieren sich am Programm der zwölf Schritte und zwölf Traditionen nach dem Vorbild der Anonymen Alkoholiker. Neles Sponsorin und Freundin ist Andrea Gonzor, seit längerer Zeit Teil der S.L.A.A. und für Nele ein Vorbild. Andrea wird jedoch rückfällig und von Nele nach einer Party tot in ihrer Wohnung gefunden. So trifft Nele Krüger das erste Mal auf Borowski. Sie fühlt sich schuldig und verantwortlich für das, was passiert ist. Borowski kümmert sich um sie, stellt Fragen und will in ihre Welt eintauchen. Er hat keine Angst. Er weicht ihr nicht aus. Durch den Tod ihrer Sponsorin rutscht Nele langsam zurück in die Sucht. Sie versucht, in Borowski Halt zu finden, und zwar mit allen Mitteln, die sie zur Verfügung hat. Sie will, dass er Teil ihrer kleinen Familie wird und verwechselt dabei Borowskis Professionalität mit echter Nähe. Trotzdem entwickelt sich zwischen den beiden eine merkwürdige Sympathie, fast eine leise Freundschaft.
„Barbara Döring ist so etwas wie ein glühender Eisberg“
Statement von Darstellerin Lina Wendel
Als Lehrerin ist Barbara Döring Wiederholungen gewöhnt, genauso wie Stress. Ob es die Langeweile der Routine ist, ob es die gewöhnlichen Abnutzungen sind – in ihrer Ehe mit Peter ist der Liebe das Körperliche abhandengekommen. Sie will zwar noch, aber er kann nicht. Dass nebenan nun ausgerechnet Andrea einzieht, aus deren Wohnung derartig oft und laut Lustgeschrei herüberdringt, macht es nicht besser.
Barbara mag sich nicht abfinden. Sie wirft sich in Schale, kocht liebevoll, versucht Peter zu verführen und lässt sich ihre Enttäuschung nicht anmerken, als es wieder nicht klappt. Aber aufgeben? Sie will sich spüren. Ist es in so einem Fall fremdgehen, wenn sie sich mit ihren Bedürfnissen an einen anderen Mann wendet? Kann sie das? Währenddessen scheint das Treiben in der Nachbarwohnung mit jedem Tag zuzunehmen. Auch Barbaras Gelassenheit gerät unter Druck.
Der „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“ richtet einen intensiven Blick auf die Frage, wie jeder auf seine Art und Weise versucht, geliebt zu werden, gesehen zu werden. Den einen treibt der Versuch, das zu erreichen, in eine Zwangssituation, eine Sucht, während ein anderer sein Heil innerhalb einer Beziehung sucht, aber an der Kommunikation zu scheitern droht.
Barbara Döring, die Figur, die ich spiele, ist so etwas wie ein glühender Eisberg. Sie hat nicht gelernt, wie man sexuelle, intime Bedürfnisse formuliert – wahrscheinlich hat sie sich auch noch nie Zeit für sich selbst genommen, um überhaupt herauszufinden, was sie möchte. In ihren Konventionen lebend, bleibt das alles für sie schwer greifbar. Und so entfernt sich der eine Partner immer weiter von dem anderen, und die Hilflosigkeit wächst unaufhaltsam. Erfährt der eine dann, dass der andere sich komplett abgenabelt hat und nur noch den Schein wahrt, dann kann ich mir auch vorstellen, dass es, wie bei Barbara Döring, zu einem heftigen Ausbruch kommen kann. Die Beziehung von ihr und ihrem Mann zeigt, wie sehr es oft noch von Scham besetzt scheint, über sexuelle Bedürfnisse zu reden. Ich glaube, dass viele Ehen nicht geschieden werden müssten, wenn sich Menschen trauen würden, offen ihre Bedürfnisse zu kommunizieren. Vielleicht ist die Radikalität dieser Genderzeit, in der wir leben, die mich teils befremdet, aber auch nachdenklich macht, die einzige Möglichkeit, um auch zu lernen, das, wonach wir uns sehnen, besser auszudrücken.
„Es ist leicht, Sexpartys in die Schmuddelecke zu stellen, aber ich habe mich gefragt: Wie kann ich das zeigen, ohne es moralisch zu werten?“
Statement von Kamerafrau Birgit Gudjonsdottir
Schon als Maria Solrun und ich bei ihrem Debüt „Jargo“ Anfang der 2000er das erste Mal zusammengearbeitet haben, bestand unsere Methode darin, sehr gut vorbereitet in den Dreh zu gehen. Je genauer unser Plan, desto mehr Möglichkeiten bekommen wir, auch Dinge auszuprobieren – wir können ja jederzeit auf unsere Grundidee zurückgreifen. Genau so sind wir auch „Borowski und das hungrige Herz“ angegangen: Zum einen haben wir für jede Einstellung vorher die Kamerapositionen genau festgelegt. Ich habe zudem entschieden, die Kamera immer in Bewegung zu halten, ruhig und ohne Hektik. Ich wollte dadurch eine Neugier und freudvolle Leichtigkeit in die Bilder bringen.
Zum anderen haben wir im Vorfeld ein Moodboard gepflegt, das die Farben und Stimmungen festlegte, die wir anstrebten. Gerade die Farbgestaltung war mir extrem wichtig. Der Film spielt im Herbst, entsprechend haben wir auch diese klassischen Herbsttöne dominieren lassen. Dieses Warme, Braune, das für Erdung, Geborgenheit und Sicherheit steht, haben wir in Kontrast gesetzt zur Welt der Liebes- und Sexsüchtigen. Da dominiert die Farbe Rot. Rot ist eine zwiespältige Farbe, weil sie einerseits für die Liebe steht. Auf der anderen Seite ist es aber auch eine Signalfarbe für Gefahr und gleichzeitig auch ein Symbol für Kraft, Lebensfreude und Dynamik. Für mich ist die Farbe Rot im Film sehr elementar. Auch Szenenbild und Requisite haben immer versucht, etwas Rotes einzubringen, ein Sofa oder eine knallrote Teekanne in Borowskis Büro.
Teil der Farbpalette war auch Violett, eine sehr spannende Farbe, die das Weibliche und Männliche miteinander verbindet, rätselhaft und gleichzeitig hintergründig, voller Sinnlichkeit und Lebenslust. Das fand ich gerade bei den Verhören sehr spannend, in denen die Teilnehmer der Sexparty befragt werden.
Überhaupt diese Welt der Sexpartys – wir haben uns gefragt: Wie können wir ästhetisch spürbar machen, was da geschieht, ohne es auszustellen? Es ist leicht, Sexpartys in die Schmuddelecke zu stellen, aber ich habe mich gefragt: Was ist es eigentlich, was daran schön und spannend ist, wie kann ich das zeigen, ohne es moralisch zu werten? Immerhin strahlen sie ja auch eine lebensbejahende Freude und Lust aus, Komponenten also für eine farbenfrohe und facettenreiche Welt.
„Die verwendete Orgel hat eine persönliche Bedeutung – sie ist teilweise gesampelt aus einer kleinen Holzkirche bei meiner Großmutter in Nordisland“
Statement des Komponisten Haraldur Thrastarson
Meine Herangehensweise an den Film wurde stark von der Protagonistin Nele und meinen Gesprächen mit der Regisseurin Maria Solrun beeinflusst. Wir wollten, dass die Musik Neles emotionale Intensität und Komplexität widerspiegelt. Die Idee war, ihre Emotionen auf subtile Weise durch eine Kombination aus atmosphärischen, sphärischen Klängen und rhythmischen Elementen hervorzurufen. So hat die nah aufgenommene Perkussion eine fast ASMR-ähnliche Qualität, die Neles tiefe Sehnsucht nach Nähe und Intimität ausdrückt, während die ausgedehnten, sphärischen Klänge das unerfüllte Verlangen widerspiegeln, sich nie wirklich befriedigt zu fühlen.
Das Hauptinstrument, die Posaune, ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich habe sie an der Universität studiert, aber nach meiner Abschlussprüfung für mehr als drei Jahre beiseitegelegt. Jetzt, wo ich sie wiederentdecke, habe ich festgestellt, dass sie in der Art von Filmmusik, die ich schaffen möchte, einen besonderen Platz einnimmt. Auch die verwendete Orgel hat eine persönliche Bedeutung – sie ist teilweise gesampelt aus einer kleinen Holzkirche bei meiner Großmutter in Nordisland. Ich habe auch einige der Stimmen mit meinem Cousin Baldur Hjörleifsson dort aufgenommen und diese Takes dann neu gesampelt und dekonstruiert. Diese manipulierten Stimmen verkörpern auf subtile Weise die Intimität und Sehnsucht, die Nele als Liebessüchtige erlebt. Ich strebte eine kontinuierliche, sich wiederholende Struktur der Stimmen an, um ihnen ein Gefühl der Grenzenlosigkeit zu verleihen – fast so, als könnten sie ewig nachhallen.
Zusätzlich enthält der Film einen Song, der von Liina Magnea gesungen und von ihr, mir und Niklas Blomberg komponiert wurde. Ursprünglich auf Englisch geschrieben, haben wir ihn auf Deutsch neu aufgenommen, da der Text perfekt zum Kontext des Films passt. Der Song vereint einen Großteil der Instrumentierung der Filmmusik, einschließlich Posaune, Orgel und überlagerndem Gesang.
„Ich war mir sicher, dass die Regisseurin und Autorin Maria Solrun das inszenatorische Können für dieses sensible Thema mitbringt, gepaart mit etwas isländischem Humor“
Sabine Timmermann, Produzentin (Nordfilm)
In dem „Tatort: Borowski und das hungrige Herz“ ermitteln Borowski und seine Kollegin Sahin in einem Gestrüpp aus Einsamkeit, Sehn- und Liebessucht und müssen sich auch privat die Frage stellen, wie es denn aussieht mit der Liebe.
Weibliche Sexsucht und die szenische Darstellung eines „Gangbang“ laden zum Voyeurismus ein, den wir unbedingt vermeiden wollten. Wem also vertrauen wir, die richtige Tonalität für einen Stoff zu finden, der das Drama einer Frau erzählt, die ihre innere Leere mit Sex füllt?
Ich war mir sicher, dass die Regisseurin und Autorin Maria Solrun die Sensibilität und das inszenatorische Können für dieses sensible Thema mitbringt, gepaart mit etwas isländischem Humor von Menschen, die an Elfen glauben. Was aber trauen wir einer Frau zu, die ihre Regiekompetenz nur zweimal unter Beweis stellen durfte?
Maria Solruns Filmarbeit ist ein Beispiel für eine weibliche Biografie in Zeiten, in denen es für Frauen weder Angebote noch Quotierungen in der Regiearbeit gab. Maria hatte 2004 den überragenden Debütfilm „Jago“ inszeniert. Danach war für die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern die Arbeit als Regisseurin am Set nur schwer möglich, also begann Maria, erfolgreich Drehbücher zu schreiben. Je länger die Abwesenheit aus dem Regiefach dauerte, umso schwerer wurde es, dort wieder Fuß zu fassen. Also produzierte, finanzierte und inszenierte sie 2018 den Film „Adam“ mit ihrem Sohn Magnus in der Hauptrolle und verkaufte ihn erfolgreich an Apple TV. Der NDR mit Sabine Holtgreve und Christian Granderath glaubten mit mir an Marias Talent. Die fehlende Routine ersetzten wir durch ein erfahrenes Team, das ihr zur Seite stand.
Es ist Marias Erzählkunst, die uns die Selbstzerstörung der weiblichen Charaktere vor Augen führt, vorsichtig und voller Verständnis mit ihren Nöten. Marias ungewöhnliches modernes Musikkonzept unterstreicht den Schmerz, die Wut, die Trauer, die Einsamkeit auf der Suche nach Liebe. Den sehnsuchtsvollen Titelsong hat Marias Tochter Lina komponiert und gesungen.
Sabine Timmermann, Produzentin (Nordfilm)
Axel Milberg erhielt am 1. November 2024 den Ehrenbiber auf dem Biberacher Filmfest. Sein Kollege Thomas Kügel – im Kieler „Tatort“ Borowskis Vorgesetzter, Kriminalrat Schladitz – hielt die Laudatio. Der Preis wurde verliehen in Verbindung mit einer Vorführung des „Tatort: Borowski und das ewige Meer“. Hier ein Auszug aus der Laudatio, der sich vor allem auf Axel Milbergs Schaffen beim NDR „Tatort“ bezieht:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, lieber Axel,
heute Abend versammeln wir uns hier um einen ganz besonderen Künstler zu ehren - einen Mann, der nicht nur die deutsche Theater-, Film- und Fernsehlandschaft geprägt, sondern sich auch in die Herzen vieler Menschen gespielt hat. Es ist mir eine große Ehre, die Laudatio für Axel Milberg zu halten, der in diesem Jahr den Ehrenpreis der Filmfestspiele Biberach erhält.
(…)
Axel Milberg ist einer der faszinierendsten und herausragendsten Schauspieler Deutschlands. Immer wieder gelingt es ihm, seine Figuren und Charaktere vielschichtig und komplex, präzise, mit Tiefe, berührend und mit großer Leidenschaft beeindruckend zu spielen. Mit spielender Leichtigkeit surft er zwischen den unterschiedlichsten Genres hin und her. Ob komödiantisch oder dramatisch-abgründig, zeigt er doch immer ein hohes Maß an Authentizität und eine beeindruckende Bandbreite.
Er lässt das Publikum an seinen facettenreichen Darstellungen und Charakteren teilhaben, an deren innerer psychologischer Dramatik, an ihren Verstrickungen und Qualen und an ihrer menschlichen Begrenztheit. Mit sprachlicher Präzession und Sensibilität spielt er komplizierte und anspruchsvolle Charaktere und überrascht uns dabei ein ums andere Mal. (…)
Der „Tatort“ Kiel und Klaus Borowski („Ich höre“) sind unverwechselbar. Die immer wieder neue Sicht auf unterschiedliche Milieus und Mordmotive, die norddeutsche, skandinavische Linie, das Understatement und der wortkarge Humor. Vorherrschend nicht die Actionszenen, sondern die Psychologie: der Blick auf die unterschiedlichsten Täterprofile, auf das Unberechenbare, das Abgründige, das Unbewusste und das Böse, auch das Banale und das Tragische in allem Menschlichen. Die Diskrepanz zwischen Vergehen und Schuld. Die Ermittlungen waren immer auch eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen und nicht zuletzt in den besonderen und herausragenden Fällen der offenen Dramaturgie von Sascha Arango.
Lieber Axel, Du hast in den 20 Jahren „Tatort“ Kiel mit Klaus Borowski einen so facettenreichen, wandelbaren und vielschichtigen Charakter entwickelt, wortkarg und manchmal mit ruppigem Auftreten, mit einem trockenen Humor, mit Empathie und Hingabe, mit großer Kraft und Präsenz, klug und intelligent. Du hast dem Kieler „Tatort“ ein ganz unverwechselbares und besonderes Profil gegeben.
(…)
Impressum
Herausgegeben von Presse und Kommunikation / Unternehmenskommunikation
Redaktion:
Iris Bents, NDR/Presse und Kommunikation
Mitarbeit:
Nicola Sorgenfrey, NDR
Gestaltung:
Janis Röhlig, NDR/Presse und Kommunikation
Bildnachweis:
NDR/Thorsten Jander
NDR/privat (Maria Solrun)
NDR/Violet Oliphant O'Neill (Haraldur Thrastarson)
Fotos:
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